Rz. 11
Die Nachlasspflegschaft wurde im Zuge des Gesetzes zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts mit Wirkung zum 1.1.2023 teilweise neu geregelt. Die Änderungen betreffen vor allem das anzuwendende Verfahren und die hierbei einschlägigen Normen, oft allerdings nur die Nummerierung. Die Nachlasspflegschaft ist jetzt eine sog. sonstige Pflegschaft i.S.v. §§ 1882 ff. BGB, für die § 1888 BGB im Wesentlichen auf das (neue) Betreuungsrecht verweist.
I. Anordnung und Bestellung
Rz. 12
Das Verfahren zur Sicherung des Nachlasses, § 1960 BGB, wird von Amts wegen eingeleitet, ein Nachlasspfleger nach § 1961 BGB wird auf Gläubigerantrag in einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) bestellt. Das Nachlassgericht ordnet die Nachlasspflegschaft an, wählt einen geeigneten Nachlasspfleger aus (§§ 1988 Abs. 1, 1816 Abs. 1 BGB) und bestellt ihn (§§ 1960, 1962, 1885 BGB). Zuständig ist das Nachlassgericht am letzten Wohnsitz des Erblassers (§ 343 FamFG), außerdem jedes Amtsgericht, in dessen Bezirk ein Fürsorgebedürfnis auftritt (§ 344 Abs. 4 FamFG). Funktionell zuständig ist der Rechtspfleger, § 3 Nr. 2 lit. c RPflG.
Rz. 13
Ob ein Erbe unbekannt oder eine Erbschaftsannahme ungewiss i.S.v. § 1960 BGB ist, beurteilt sich nach dem Standpunkt des Nachlassgerichts ohne zeitraubende Beweisaufnahmen zur Erbenermittlung, wobei eine hohe Wahrscheinlichkeit für seine Erbenstellung genügt, um einen Erben als bekannt anzusehen. Allein die Unbekanntheit oder Ungewissheit begründet dann schon ein Sicherungsbedürfnis, ohne dass es auf eine weitere Nachlassgefährdung ankommt.
Rz. 14
Die Bewirkung der Erbauseinandersetzung begründet nach herrschender Meinung dagegen kein Sicherungsbedürfnis. Die Miterben können auch nicht nach § 1961 BGB als Gläubiger Teilnachlasspflegschaft beantragen, da sich der Anspruch auf Auseinandersetzung nicht gegen den Nachlass, sondern gegen den Miterben richtet. Entgegen der herrschenden Meinung besteht ein Sicherungsbedürfnis und damit ein Anordnungsgrund schon dann, wenn die Erbauseinandersetzung von einem anderen (bekannten) Miterben betrieben oder verlangt wird. Entsprechend ist die Teilnachlasspflegschaft auch nach § 1960 BGB anzuordnen, sobald ein bekannter Miterbe die Erbauseinandersetzung verlangt. Ein solches Verlangen ist spätestens in dem "Antrag" auf Anordnung der Nachlasspflegschaft zur Erbauseinandersetzung zu sehen. Teilnachlasspflegschaft zur Erbauseinandersetzung ist also nur so lange nicht anzuordnen, wie kein Miterbe das verlangt. Die Anordnung einer – wie auch immer gearteten – Pflegschaft wäre im Übrigen auch ein Gebot des effektiven Rechtsschutzes zugunsten des antragenden Miterben, dessen Auseinandersetzungsanspruch ansonsten dauerhaft vereitelt würde.
Rz. 15
Anders zu beurteilen ist auch nach der herrschenden Meinung der Fall, dass die Auseinandersetzung eines Unternachlasses betrieben werden soll, an dem der Erblasser seinerseits beteiligt war und nunmehr der Nachlass beteiligt ist. Hier ist seitens der Miterben des Unternachlasses ein Gläubigerantrag nach § 1961 BGB zulässig.
Rz. 16
Ein Miterbe kann nicht als Nachlasspfleger für unbekannte Miterben bestellt werden, weil es hier zu einem Interessenkonflikt in der Person dieses Miterben kommt; der Miterbe wird versucht sein, diesen Konflikt unter Verletzung seiner Amtspflichten zu seinen eigenen Gunsten aufzulösen: Die Erbenermittlung gehört zur Aufgabe des Nachlasspflegers. Findet er keine weiteren Miterben, so erbt er u.U. allein. Auch ansonsten mag er der Versuchung erliegen, sich auf Kosten seiner noch unbekannten Miterben Vermögensvorteile zu verschaffen. Auch ein Erbanwärter, potentiell gesetzlicher Erbe oder Dritter mit potentiellen Interessenkonflikten sind danach grundsätzlich nicht geeignet.
Rz. 17
Eine Ausnahme mag allenfalls dann gelten, wenn die Erbenermittlung ausnahmsweise nicht Aufgabe des Pflegers ist (das Gericht kann den Wirkungskreis des Pflegers beschränken) und der Nachlass so übersichtlich strukturiert ist, dass Pflichtverletzungen leicht nachgewiesen werden können.
II. Rechtsbehelfe
Rz. 18
Gemäß § 3 Nr. 2 lit. c RPflG entscheidet in Nachlasspflegschaftssachen in der Regel der Rechtspfleger, dessen Entscheidungen gem. § 11 Abs. 1 RPflG...