Rz. 80
Werden an eine Betriebsgesellschaft nur eine wesentliche Betriebsgrundlage oder mehrere wesentliche Betriebsgrundlagen zur Nutzung überlassen, die für sich betrachtet keinen Betrieb oder Teilbetrieb darstellen – kann das sog. Wiesbadener Modell das Entstehen eines gewerblichen Besitzunternehmens insgesamt verhindern. Das "Verpachtungsunternehmen" erzielt Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 EStG, Gewerbesteuer fällt nicht an. Die Veräußerung der verpachteten Wirtschaftsgüter ist nach gegenwärtiger Rechtslage nur innerhalb der Spekulationsfrist in § 23 EStG steuerpflichtig.
Rz. 81
Das Wiesbadener Modell ist eine von der Finanzverwaltung anerkannte Gestaltung, um den Eintritt der personellen Verflechtung zu vermeiden. Ihr liegt zugrunde, dass ein Ehegatte sich nur am Besitzunternehmen und der andere Ehegatte sich nur am Betriebsunternehmen beteiligt und es damit an einer Beteiligungsidentität fehlt. Das BVerfG hat mit Beschl. v. 12.3.1985 die Zusammenrechnung der Anteile der Ehegatten nur dann als zulässig angesehen, wenn neben der ehelichen Lebensgemeinschaft Beweisanzeichen für eine gleichgerichtete wirtschaftliche Interessenlage der Ehegatten festgestellt werden können. Liegen keine zusätzlichen Beweisanzeichen hierfür vor, kann daher über eine faktische Beherrschung im Regelfall keine personelle Verflechtung begründet werden. Die Rspr. hat selbst die Mitarbeit des nicht am Betriebsunternehmen beteiligten Ehegatten als Geschäftsführer in Betriebsunternehmen nicht ausreichen lassen, um eine personelle Verflechtung kraft faktischer Beherrschung zu bejahen.
Rz. 82
Damit eine solche Gestaltung tragfähig ist, darf jedoch auch das im Steuerrecht existierende Institut des wirtschaftlichen Eigentums nicht außer Acht gelassen werden. Denn vorrangig von der Frage, ob eine personelle Verflechtung besteht, ist zu klären, wer aus steuerlicher Sicht Inhaber der überlassenen wesentlichen Betriebsgrundlagen und der Beteiligung an Besitz- und Betriebsunternehmen ist. Kann aufgrund der Umstände des Einzelfalls angenommen werden, dass ein Ehegatte wirtschaftlicher Eigentümer sowohl der wesentlichen Betriebsgrundlagen als auch der Beteiligung an der Betriebsgesellschaft ist, bricht die Gestaltung in sich zusammen, da dann unzweifelhaft eine personelle Verflechtung gegeben ist. Dies steht im Einklang mit dem Beschluss des BVerfG vom 12.3.1985, der nur eine pauschale Zusammenrechnung der Ehegattenanteile untersagt hat. Ist jedoch bereits ein Ehegatte allein wirtschaftlicher Eigentümer der Beteiligungen und der überlassenen wesentlichen Betriebsgrundlage, stellt sich die Frage einer Anteilszusammenrechnung nicht mehr.
Rz. 83
Wird z.B. das zur Nutzung überlassene Grundstück von der Ehefrau mit geschenkten Mitteln des Ehemannes erworben und haben die Eheleute für den Scheidungsfall den Rückfall des Grundstücks an den Ehemann vereinbart, ist der nur an der Betriebsgesellschaft beteiligte Ehemann nicht als wirtschaftlicher Eigentümer des Grundstücks anzusehen und kann auf dieser Grundlage steuerlich nicht als überlassender Besitzunternehmer qualifiziert werden.
Rz. 84
Dagegen ist eine Gestaltung kritisch, bei der die Ehefrau das vermietete Grundstück oder die Alleinbeteiligung an der Betriebsgesellschaft vom Ehemann geschenkt erhalten hat und dieser die Rückübertragung jederzeit ohne Angabe von Gründen einseitig verlangen kann. Diese Auffassung deckt sich mit der Rspr. des BFH zur Anerkennung einer Mitunternehmerstellung bei dem beschenkten Ehegatten. Übertragen auf die hier vorliegende Konstellation bedeutet dies, dass die Ehefrau nicht als Inhaberin der Anteile an der Betriebsgesellschaft oder des zur Nutzung überlassenen Grundstücks angesehen werden kann. Der entsprechende Gegenstand wird dem Ehemann als Schenker zugerechnet. Damit besteht eine personelle Verflechtung in der Form einer Einmann-Betriebsaufspaltung.
Rz. 85
Das Wiesbadener Modell wird in der Praxis trotz der bestehenden Gestaltungssicherheit zurückhaltend beurteilt. Seine Problematik liegt darin, dass zur Vermeidung der Annahme einer faktischen Beherrschung durch die Finanzverwaltung viele sinnvolle Gestaltungsmaßnahmen nicht getätigt werden. So wird aus Vorsichtsgründen bei der Gestaltung davor gewarnt, die Betriebsgesellschaft unterkapitalisiert und das Besitzunternehmen völlig fremdfinanziert auszugestalten, den Pachtvertrag kurzfristig kündbar zuhalten, der Besitzgesellschaft oder deren Gesellschaftern jederzeit ausübbare Ankaufsrechte für die Anteile der Betriebs-GmbH einzuräumen (oder hierbei zu niedrige Kaufpreise festzuschreiben) und die Gesellschafter der Besitzgesellschaft als Geschäftsführer mit starker Rechtsposition in der Betriebsgesellschaft einzusetzen.
Rz. 86
Zudem muss bei Versterben eines Ehegatten beachtet werden, dass im Todesfall ein Übergang der Anteile an Besitz- oder Betriebsunternehmen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den anderen Ehegatten zu einer personellen Verflechtung und damit Betr...