Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 413
Der Schuldner findet sich bei der Vollstreckungsgegenklage in der Situation, dass die Vollstreckung des Gläubigers bereits begonnen hat oder unmittelbar bevorsteht. Insoweit ist er darauf angewiesen, dass die Zwangsvollstreckung zunächst bis zur Entscheidung über die Vollstreckungsgegenklage einstweilen eingestellt wird.
Rz. 414
Den diesbezüglichen einstweiligen Rechtsschutz gewährt § 769 ZPO. Danach kann das Prozessgericht die Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise gegen oder ohne Sicherheitsleistung einstweilen einstellen, oder anordnen, dass sie nur gegen Sicherheitsleistung fortgesetzt werden darf. Daneben kann es anordnen, dass einzelne Vollstreckungsmaßnahmen gegen Sicherheitsleistung aufgehoben werden. Der Schuldner kann diese Entscheidung dann der weiteren Vollstreckung nach § 775 Nr. 2 ZPO entgegenhalten.
Rz. 415
Zuständig ist nach § 769 Abs. 1 ZPO grundsätzlich das Prozessgericht. Ob die Klage in der Hauptsache bereits zugestellt ist, bleibt dabei unbeachtlich. Nur in Ausnahmefällen ist das Vollstreckungsgericht nach § 769 Abs. 2 ZPO berechtigt, die Zwangsvollstreckung im bezeichneten Rahmen einstweilen einzustellen. Dabei hat es jedoch zugleich eine Frist zu bestimmen, innerhalb deren eine Entscheidung des Prozessgerichts beizubringen ist. Wird eine solche Entscheidung in der vorgegebenen Frist nicht beigebracht, kann der Gläubiger die Zwangsvollstreckung fortsetzen.
Rz. 416
Hinweis
Der Gläubiger wird darauf zu achten haben, dass die Frist nur so lange bemessen wird, wie notwendig ist, um den Antrag dem Prozessgericht vorzulegen, und es zur Entscheidung bedarf. Eine Frist von mehr als drei Tagen sollte hier regelmäßig nicht erforderlich sein.
Rz. 417
Der Schuldner hat als Antragsteller die Voraussetzungen für den Erfolg der Vollstreckungsgegenklage schlüssig darzulegen und seinen Vortrag glaubhaft zu machen. Insoweit kann er sich auf die mit der Vollstreckungsgegenklage vorgelegten Urkunden beziehen. Darüber hinaus bedarf es der Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung, § 294 ZPO. Zu beachten ist, dass es für die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung im Sinne von § 294 ZPO nicht ausreicht, dass der Erklärende pauschal auf einen Schriftsatz seines Bevollmächtigten Bezug nimmt. Vielmehr sind alle Tatsachen, die glaubhaft zu machen sind, in der eidesstattlichen Versicherung selbst aufzuführen. Hieran scheitern in der Praxis immer wieder die Einstellungsanträge. Vergisst der Rechtsanwalt, die entsprechende Vorbereitung des Einstellungsantrages, kann sich dies für ihn als Haftungsfall darstellen.
Rz. 418
Der Antrag unterliegt beim Landgericht als Prozessgericht dem Anwaltszwang nach § 78 ZPO und ist schriftlich einzureichen. Das gilt auch, wenn ein Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung beim BGH verbunden mit einem Prozesskostenhilfegesuch gestellt wird. Im Übrigen kann er beim Amtsgericht nach § 496 ZPO auch zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden und bleibt dann vom Anwaltszwang befreit, § 78 Abs. 3 ZPO. Inkassounternehmen ist nach § 79 Abs. 2 Nr. 4 ZPO die Antragstellung versagt, da es sich um ein streitiges Verfahren handelt.
Rz. 419
Ob gegen die Entscheidung des Prozessgerichts ein Rechtsmittel gegeben ist, war bisher umstritten. Die wohl herrschende Meinung ist davon ausgegangen, dass grundsätzlich kein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Prozessgerichts gegeben ist. Anderes müsse allerdings dann gelten, wenn die Entscheidung "greifbar gesetzeswidrig" sei. Schon seitdem der BGH die außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit nach der Einführung der Rechtsbeschwerde durch die ZPO-Reform zum 1.2.2002 nicht mehr für zulässig hält, musste diese Rechtsprechung als überholt gelten. Nach anderer Ansicht findet sich für eine Einschränkung der Beschwerdemöglichkeit im Gesetz keine Stütze. Vielmehr sei in jedem Fall die sofortige Beschwerde nach §§ 793, 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO gegeben.
Rz. 420
Ein anderer Teil der Rechtsprechung hat aus § 707 Abs. 2 ZPO analog abgeleitet, dass ein Rechtsmittel grundsätzlich nicht gegeben ist. Dem hat sich der BGH angeschlossen. Aus einer Auslegung des § 769 Abs. 1 ZPO im Kontext der allgemeinen Vorschriften zur Zwangsvollstreckung, insbesondere der §§ 707 Abs. 2 S. 2, 793 ZPO, folge, dass eine solche sofortige Beschwerde nicht statthaft sei. Auch eine außerordentliche Beschwerde komme nach der ZPO-Reform nicht mehr in Betracht.
Rz. 421
Ungeachtet der Entscheidung des BGH und in deren Kenntnis hat das OLG Koblenz Bedenken aufgrund des rechtsstaatlichen Gebots der Rechtsmittelklarheit. Danach sei es zuerst Sache des Gesetzgebers eindeutige Vorschriften über die Zulässigkeit von Rechtsmitteln zu schaffen. Außerordentliche Rechtsmittel seien deshalb unzulässig. Aus demselben Grund seien Tatbestände, die Rechtsmittel für bestimmte Konstellationen ausschließen, nicht auf andere Fälle übertragbar, wenn sich dafür kein Anhaltspunkt im Gesetz finde. Ihre analoge Anwendung kollid...