Dr. Michael Thielemann, Dr. iur. Alexander Walter
Rz. 157
Zur Fristwahrung muss die Berufungsschrift beim zuständigen Gericht eingehen. Wird ein Schriftstück bei einer gemeinsamen Eingangsstelle mehrerer Gerichte eingereicht, so gilt es mit der Einreichung bei dem Gericht eingegangen, an das es adressiert ist. Nur dieses Gericht erlangt die tatsächliche Verfügungsgewalt. Das Berufungsgericht muss den fristgerechten Eingang von Amts wegen prüfen. So ist etwa die Zuordnung der gewählten Telefaxnummer zum Berufungsgericht zu prüfen. Bei Bestehen einer gemeinsamen Briefannahmestelle kann zu ermitteln sein, ob der gewählte Telefaxanschluss aufgrund einer Geschäftsordnungsregelung Teil einer gemeinsamen Posteingangsstelle ist. Als rechtzeitig eingegangen anzusehen ist eine Berufungsschrift, die ordnungsgemäß an das OLG adressiert und per Telefax übermittelt wird, obgleich sie am Telefaxanschluss des Landgerichts eingeht, wenn beide Gerichte gemeinsame Telefaxanschlüsse dergestalt haben, dass nach der Geschäftsordnungsregelung die Anschlüsse des einen Gerichts zugleich als Anschluss des anderen Gerichts gelten. Es genügt aber nicht, dass der gewählte Telefaxanschluss einer Behörde zuzuordnen ist, die zwar formell eine Organisationseinheit des Gerichts darstellt, für die aber keine die Telefaxanschlüsse umfassende gemeinsame Posteingangsstelle eingerichtet ist.
Rz. 158
Den rechtzeitigen Eingang muss der Berufungsführer beweisen. Der auf einem Schriftsatz aufgebrachte Eingangsstempel des Gerichts erbringt als öffentliche Urkunde im Sinne des § 418 Abs. 1 ZPO den vollen Beweis für Ort und Zeit des Eingangs. Hiergegen ist jedoch gem. § 418 Abs. 2 ZPO der im Wege des Freibeweises zu führende Gegenbeweis zulässig, der die volle Überzeugung des Gerichts von dem rechtzeitigen Eingang des Schriftsatzes erfordert.
Rz. 159
Hinweis
Wegen der Beweisnot der betroffenen Partei dürfen die Anforderungen an die Erbringung dieses Gegenbeweises nicht überspannt werden; für eine zumindest hilfsweise zu beantragende Wiedereinsetzung genügt allerdings eine Glaubhaftmachung. Beim Einwurf in den Nachtbriefkasten ist es zunächst Sache des Gerichts, die zur Aufklärung nötigen Maßnahmen mit Blick auf die Funktionsweise und die Leerung zu ergreifen. Schildert die Partei detailliert die genauen Umstände des Einwurfs des Schriftstücks, darf sich das Gericht nicht mit einer pauschal gehaltenen dienstlichen Stellungnahme des zuständigen Mitarbeiters der Poststelle begnügen.
Rz. 160
Für die Rechtzeitigkeit des Eingangs eines per Fernkopie übersandten Schriftsatzes kommt es darauf an, ob die gesendeten Signale noch vor Ablauf des letzten Tags der Frist vom Telefaxgerät des Gerichts vollständig empfangen (gespeichert) worden sind. Der Ausdruck durch das Gerät ist nicht maßgeblich.
Rz. 161
Hinweis
Der Eingangsstempel auf dem Ausdruck eines Telefaxschreibens erbringt keinen Beweis dafür, dass die für die Rechtzeitigkeit des Eingangs maßgebliche Speicherung noch vor Fristablauf in dem Telefaxgerät des Gerichts erfolgt ist, da dem keine eigene Beobachtung desjenigen zugrunde liegt, der den Stempel angebracht hat.
Rz. 162
Übermittlungsschwierigkeiten können den Prozessbevollmächtigten vor erhebliche Probleme stellen. Er ist bei einer technischen Störung des Empfangsgeräts des Gerichts aber nicht gehalten, eine dem Pressesprecher des Gerichts zugewiesene Telefaxnummer ausfindig zu machen und den Schriftsatz zur Fristwahrung an diese Nummer zu versenden.