Rz. 216
Die Erben sind zur Auskunft über den Bestand des Nachlasses verpflichtet. Sie müssen über sämtliche Aktiva und Passiva des Nachlasses Auskunft erteilen. Zweck des Auskunftsanspruchs ist das Offenlegen der Berechnungsfaktoren. In der Praxis hat sich der Wortlaut der Vorschrift dafür als zu eng erwiesen, so dass die Rechtsprechung den Anwendungsbereich des § 2314 BGB nicht nur in persönlicher Hinsicht, sondern auch nach Art und Umfang der Auskunftspflichten ausgeweitet hat.
Ob und in welchem Umfang wertbildende Faktoren aufzuführen sind, ist streitig.
Rz. 217
Der pflichtteilsberechtigte Nichterbe hat nach ständiger Rechtsprechung nicht nur Anspruch auf Auskunft über die beim Erbfall tatsächlich vorhandenen Nachlassgegenstände und Nachlassverbindlichkeiten, sondern auch über den fiktiven Nachlassbestand. Der Erbe muss also auch alle Schenkungen der letzten zehn Jahre in das Nachlassverzeichnis mit aufnehmen. Erfolgte eine Schenkung an den Ehegatten des Erblassers oder unter Nießbrauchs- oder Wohnrechtsvorbehalt, dann ist diese auch dann aufzunehmen, wenn sie länger als zehn Jahre zurückliegt. Da auch sog. unbenannte, ehebedingte Zuwendungen bei objektiver Unentgeltlichkeit erbrechtlich wie eine Schenkung behandelt werden, muss auch hierüber Auskunft erteilt werden. Ist die Zuwendung in Form einer gemischten Schenkung erfolgt, dann muss sich die Auskunft auch auf alle Vertragsbedingungen erstrecken, deren Kenntnisse wesentlich sind für die Beurteilung, ob und in welcher Höhe eine Schenkung und somit ein Pflichtteilsergänzungsanspruch vorliegt. Ist die rechtliche Qualifikation als Schenkung unklar oder strittig, so ist dies mit entsprechendem Vorbehalt aufzunehmen. Bei einem notariell erstellten Verzeichnis empfiehlt es sich, die Einwendungen der Beteiligten mit aufzunehmen. Ebenso anzugeben sind alle Zuwendungen, die eine Ausgleichungspflicht nach §§ 2050, 2316 BGB auslösen, wobei in Erinnerung zu rufen ist, dass es sich dabei nicht unbedingt um Schenkungen handeln muss (Ausstattung ist nicht gleich Schenkung). Handelt es sich um keine Schenkung, dann besteht die Auskunftspflicht nach § 2057 BGB. Die Auskunftspflicht nach § 2314 BGB erstreckt sich auch auf Anstands- und Pflichtschenkungen i.S.v. § 2330 BGB.
Rz. 218
Eine Auskunftspflicht besteht auch darüber, in welchem Güterstand der Erblasser gelebt hat, ob er ein ihm zugewandtes Vermächtnis angenommen hat oder ob sonstige entstandene, aber noch nicht realisierte Forderungen vorhanden sind. Sie umfasst auch die Mitteilung über Gegenstände, die möglicherweise in den Voraus fallen, zumindest dann, wenn es um den Pflichtteil der Eltern des Erblassers geht.
Rz. 219
Der Auskunftsanspruch ist auf die Weitergabe von Wissen gerichtet. Hat der Erbe selbst nicht die erforderliche Kenntnis, so ist er grundsätzlich verpflichtet, sich das notwendige Wissen zu beschaffen. Der Erbe hat diejenigen Nachforschungen anzustellen, die ein objektiver Dritter in der Lage des Pflichtteilsberechtigten für erforderlich halten würde. Befindet sich in dem Nachlass bspw. auch ein Erbanteil des Erblassers selbst an einem anderen Nachlass, so erstreckt sich die Auskunftspflicht auch hierauf. Der Erbe ist verpflichtet, auf Verlangen auch selbst Auskunft über den Anteil des Erblassers an diesem Nachlass einzuholen. Ein direktes Auskunftsrecht des pflichtteilsberechtigten Nichterben gegenüber den Erben des Nachlasses, an dem der Erblasser beteiligt war, besteht allerdings nicht. Ebenso muss der Verpflichtete auch von seinem Auskunftsrecht gegenüber Kreditinstituten, welches mit dem Tod des Erblassers auf den Erben übergeht, Gebrauch machen. Nach der Rechtsprechung des BGH kann der Verpflichtete den Auskunftsanspruch gegenüber Kreditinstituten nach §§ 398, 399, 675, 666 BGB aber auch an den nach § 2314 BGB Auskunftsberechtigten abtreten.