A. Rechtsgrundlagen

 

Rz. 1

Rechtsgrundlagen für die Haftpflichtversicherung für Anwälte[1] sind

§§ 51, 51a, 59j BRAO,
Versicherungsvertragsgesetz (VVG),
Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Rechtsanwälten und Patentanwälten, Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern (im Folgenden: AVB; siehe dazu Rdn 3).

Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) sind als Rechtsgrundlage für die AVB auch nicht subsidiär anzuwenden. Die Allgemeine Haftpflichtversicherung ist eine Versicherung eigener Art.[2] Dies schließt indessen nicht aus, bei der Rechtsanwendung Rechtsprechung und Kommentierung zu den AHB mit heranzuziehen, soweit Wort- oder jedenfalls Inhaltsgleichheit der Bestimmungen besteht.[3]

[1] Zur geschichtlichen Entwicklung siehe Sassenbach, in: Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht, § 18 Rn 1 f.
[2] BGH, 9.1.1964 – II ZR 86/61, VersR 1964, 230.
[3] Diller, Einl. Rn 63.

B. Versicherungsvertragsgesetz (VVG)

 

Rz. 2

Das VVG stammt vom 13.5.1908. Durch Gesetz vom 23.11.2007[4] wurde es erheblich geändert und reformiert. Die Neufassung trat am 1.1.2008 in Kraft. Allerdings markiert auch der 1.1.2009 ein weiteres wichtiges Datum für den Übergang. Die Übergangsvorschriften finden sich im EGGVG. Art. 1 Abs. 1 EGGVG bestimmt, dass auf Altverträge, die vor dem 1.1.2008 abgeschlossen wurden, bis zum 31.12.2008 grds. auch die Bestimmungen des VVG a.F. anzuwenden waren. Abs. 2 wiederholt diesen Grundsatz für den Schadenfall ("Versicherungsfall"): Wenn bei einem Altvertrag ein Versicherungsfall bis zum 31.12.2008 eintrat, war noch das VVG a.F. anzuwenden. Abs. 3 gab dem Versicherer konsequenterweise die Möglichkeit einer durch abweichende Bestimmungen des neuen VVG notwendig gewordenen Vertragsanpassung.

Im Schadenfall ist also zu prüfen, ob zum Verstoßzeitpunkt ein Altvertrag galt oder ein neuer Vertrag, sei es durch Neuabschluss oder nach Umstellung gem. Art. 1 Abs. 3 EGVVG. Wenn noch ein Altvertrag vorlag und der Verstoß auf den 31.12.2008 oder früher zu datieren ist, ist allein die frühere Fassung des VVG auf den Schadenfall anzuwenden. Für den Fall, dass ein Altvertrag auch bis zum 1.1.2009 noch nicht umgestellt wurde und der Verstoßzeitpunkt auf den 1.1.2009 oder später zu datieren ist, ist zwar ebenfalls dieser Altvertrag weiter anwendbar; soweit aber zwingende Vorschriften im neuen VVG bestimmten Klauseln des alten Vertrages entgegenstehen, wären diese Klauseln unwirksam. Es gilt dann das Gesetz in der neuen Fassung.

Da im Bereich der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung tatsächlich viele Verträge nicht umgestellt wurden, ist also für die Schadenabwicklung nicht der 1.1.2008, sondern vielmehr der 1.1.2009 das wichtigere Datum. Wegen des ausgesprochenen Spätschadenrisikos in der Rechtsberaterhaftung kann es hier auch heute noch Anwendungsfälle geben.

[4] BGBl I, S. 2631.

C. Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB)

I. Kein Genehmigungserfordernis

 

Rz. 3

Nach der Deregulierung[5] im Versicherungswesen kann jedes Versicherungsunternehmen eigene AVB formulieren und auf den Markt bringen. Die AVB unterliegen nicht mehr der Vorabgenehmigung durch das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen. Dies hat den Wettbewerb in allen Versicherungszweigen weiter intensiviert, so auch in der Versicherung für Anwälte und Notare, wobei sich der Wettbewerb im Bereich der Pflichtversicherung mehr auf die Prämienseite und nicht so sehr auf die Bedingungsseite fokussiert. Hier sind die AVB der einzelnen Versicherungsunternehmen inhaltlich sehr ähnlich, was im Wesentlichen daran liegen dürfte, dass die gesetzgeberische Ausgestaltung der anwaltlichen Berufshaftpflichtversicherung als Pflichtversicherung (vgl. § 18 Rdn 1) nahezu die gesamte berufliche Tätigkeit des Rechtsanwalts einschließt, sodass die Versicherer auf der Bedingungsseite nur sehr wenig Spielraum für unterschiedliche Deckungskonzepte haben.

Die Regelungen der AVB HV 60/07 der Allianz Versicherung, die den nachfolgenden Ausführungen exemplarisch zugrunde gelegt werden, enthalten zunächst einen Allgemeinen Teil über die Reichweite des Versicherungsschutzes, den Versicherungsfall, Obliegenheiten etc. (Teil 1.1). Diese Regelungen gelten für sämtliche angesprochenen Berufszweige. Das gleiche gilt für Teil 1.2, der Erweiterungen des Versicherungsschutzes in Bezug auf die Ein- und Austrittshaftung und die akzessorische Haftung für berufsfremde Tätigkeiten enthält. Im Teil 2 folgen dann die für die Rechts- und Patentanwälte maßgeblichen Sonderbestimmungen; Teil 3 beinhaltet die Spezialregelungen für die Steuerberater, Teil 4 die der Wirtschaftsprüfer und der vereidigten Buchprüfer. Teil 5 beschreibt die Bürohaftpflichtversicherung, die wieder für sämtliche Berufsträger gleichermaßen gilt und Sach- und Personenschäden in bestimmtem Umfang in den Versicherungsschutz integriert, sofern dies explizit vereinbart wurde. Textangaben aus Teil 1 werden nicht als solche kenntlich gemacht, wohl aber aus den übrigen Teilen.

Für jeden einzelnen Versicherungsfall ist jedenfalls die genaue Vorprüfung unabdingbar, welc...

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