Dr. Martin Feick, Lisa Hammes
Rz. 86
In der Praxis kommt es häufig vor, dass sich die Eltern an der Finanzierung des Hauskaufs oder des Umbaus des Hauses ihrer Kinder finanziell beteiligen möchten. Wenn die Eltern dann ohne nähere Bestimmung den Geldbetrag ihren Kindern schenken, unterliegt der volle Geldbetrag mit seinem Nennwert der Schenkungsteuer. In der Praxis hatte sich zur schenkungsteuerlichen Optimierung daher vor Inkrafttreten des ErbStRG 2009 die sog. "mittelbare Schenkung" etabliert.
Rz. 87
Bereits durch das ErbStRG 2009 wurden allerdings zum 1.1.2009 die Unterschiede zwischen Verkehrs- und Steuerwert eines Vermögensgegenstandes, die bei der mittelbaren Schenkung ausgenutzt wurden, weitgehend nivelliert. Hierdurch hat das Institut der mittelbaren Schenkung erheblich an Bedeutung eingebüßt. Lediglich bei bestimmten günstigen Bewertungen im Einzelfall oder bei der mittelbaren Schenkung von zu Wohnzwecken vermieteten Grundstücken (hier gilt gemäß § 13d Abs. 1 ErbStG ein 10 %iger Verschonungsabschlag) kam dem Institut seither noch Bedeutung zu. Für die Verschonungsabschläge nach den §§ 13a, 13b und 19a ErbStG ist es nach der Rechtsprechung und nach Ansicht der Finanzverwaltung bereits seit 2008 erforderlich, dass das geschenkte Vermögen sowohl auf Seiten des Schenkers als auch auf Seiten des Erwerbers begünstigtes Betriebsvermögen gemäß § 13b ErbStG ist. Die mittelbare Schenkung ist nicht begünstigt, wenn die Beteiligung am Vermögen eines Dritten erfolgen soll. Daher können hier die Grundsätze der mittelbaren Schenkung nicht sinnvoll genutzt werden. Nun hat der BFH mit Urteil v. 24.8.2022 die Nutzbarkeit der Grundsätze der mittelbaren Schenkung nahezu ausgeschlossen. Der BFH hat entschieden, dass im Rahmen des Vergleichswertverfahrens nach § 183 BewG stets auch der zeitnahe Verkaufspreis als Vergleichswert heranzuziehen ist, wenn es für das geschenkte Grundstück keine Vergleichswerte gibt. Damit wird es nahezu keine Fälle mehr geben können, in denen Grundstücke, für die vorrangig das Vergleichswertverfahren anzuwenden ist, namentlich Wohnungseigentum, Teileigentum und Ein- und Zweifamilienhäuser, günstiger bewertet werden als der geschenkte Kaufpreis. Seit diesem Urteil des BFH verbleibt, abgesehen von wenigen Ausnahmefällen, ein einziger letzter Anwendungsfall, in dem die mittelbare Schenkung noch zu erbschaftsteuerlicher Begünstigung führen kann: bei der mittelbaren Schenkung von zu Wohnzwecken vermieteten Grundstücken, die von einem Dritten erworben werden. Vor dem Hintergrund dieser sehr gering gewordenen Bedeutung werden die Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer mittelbaren Schenkung im Folgenden nur knapp dargestellt.