Rz. 218
Nach der Änderung des Genossenschaftsgesetzes durch Gesetz vom 9.10.1973 geht bei Tod eines Mitglieds der Genossenschaft die Mitgliedschaft gem. § 77 Abs. 1 GenG auf die Erben über. Sie endet allerdings gem. § 77 Abs. 1 S. 2 GenG mit Schluss des Geschäftsjahres.
Rz. 219
Der Untergang der Mitgliedschaft zum Schluss des Geschäftsjahres ist gem. § 77 Abs. 2 S. 1 GenG dispositiv. Die Satzung kann vorsehen, dass bei Tod eines Mitgliedes dessen Mitgliedschaft durch die Erben fortgesetzt wird. Vor der Änderung des Genossenschaftsgesetzes war die Auseinandersetzung der Genossenschaft bei Tod eines Mitgliedes obligatorisch.
Rz. 220
Mit der Mitgliedschaft nur mittelbar zusammenhängender Organstellungen, wie die Zugehörigkeit zum Vorstand, Aufsichtsrat oder der Vertreterversammlung, gehen nicht auf die Erben über.
Rz. 221
Gemäß § 77 Abs. 2 S. 2 GenG kann die Satzung die Fortsetzung von persönlichen Voraussetzungen der Erben abhängig machen. Unter die persönlichen Voraussetzungen eines Erben fallen alle Eigenschaften des Erben, die nach dem wirtschaftlichen Zweck der jeweiligen Genossenschaft nicht sachfremd oder willkürlich sind. Nicht zu den persönlichen Voraussetzungen gehören jedenfalls das Interesse der Genossenschaft sowie ein Antrag des Erben auf Fortsetzung der Mitgliedschaft, über den der Vorstand der Genossenschaft mit Zustimmung des Aufsichtsrates zu entscheiden hätte.
Hinweis
Diese Satzungsbestimmung enthielt die "Bäko-Mustersatzung Ausgabe 1974", um die Rechtslage vor Änderung des Genossenschaftsgesetzes wiederherzustellen und der Genossenschaft zu ermöglichen, nur ihr genehme Nachfolger aufnehmen zu können.
Rz. 222
Grundsätzlich kann gem. § 77 Abs. 1 S. 3 GenG auch eine Erbenmehrheit Nachfolger sein. Die Genossenschaftsanteile gehen wie bei Kapitalgesellschaften nicht im Rahmen der für die Personengesellschaften geltenden Sondererbfolge auf jeden Erben zu Eigenvermögen über, sondern fallen der Erbengemeinschaft zur gesamten Hand an.
Jedoch muss die Erbengemeinschaft das Stimmrecht in der Generalversammlung gem. § 77 Abs. 1 S. 3 GenG durch einen gemeinschaftlichen Vertreter ausüben. Dieser Vertreter kann auch ein Dritter sein und muss nicht aus dem Kreis der Genossen stammen. Ist ein gemeinsamer Vertreter bestimmt, darf das einzelne Mitglied der Erbengemeinschaft an der Generalversammlung der Genossenschaft nicht mehr teilnehmen und auch keinen etwaigen Widerspruch gem. § 51 Abs. 2 GenG zu Protokoll geben. Wird ein Vertreter durch die Miterben bestellt, gelten für ihn die allgemeinen Vertretungsregelungen, sodass er gem. § 43 Abs. 5 S. 2 GenG einer schriftlichen Vollmacht bedarf.
Rz. 223
Gemäß § 77 Abs. 2 S. 3 GenG kann die Satzung weiter bestimmen, dass die Mitgliedschaft endet, wenn bei mehreren Erben die Mitgliedschaft innerhalb einer zu bestimmenden Frist nicht auf einen der Miterben allein übertragen wird. Geben die Miterben in diesem Fall die Einigungserklärung nicht innerhalb der Frist gegenüber dem Vorstand der Genossenschaft ab, scheiden alle Erben zum Schluss des Geschäftsjahres aus der Genossenschaft aus.
Rz. 224
Endet die Mitgliedschaft, so erhalten die Erben gem. §§ 77 Abs. 4, 73 GenG das Geschäftsguthaben ausgezahlt.
Rz. 225
Durch die Erbfolge kann es für das Sterbejahr, oder wenn die Satzung die Fortsetzung der Mitgliedschaft vorsieht, auch auf Dauer zu einer Doppelmitgliedschaft kommen, wenn der Erbe bereits vor dem Erbfall Mitglied war. Eine solche Mehrfachmitgliedschaft widerspricht, jedenfalls für den Einzelerben, dem Wesen der Genossenschaft und ist unzulässig.
Für die auslaufende Mitgliedschaft im Sterbejahr ist zur angemessenen Beendigung der Mitgliedschaft dieser Widerspruch hinzunehmen. Streitig ist, wie mit den Stimmrechten in dieser Zeit zu verfahren ist.
Müller will die Stimmrechte aus der gem. § 77 Abs. 1 GenG übergegangenen Mitgliedschaft ruhen lassen, sodass es im Hinblick auf die demokratische Struktur der Genossenschaft bei nur einer Stimme pro Person verbleibt.
Fandrich lässt im laufenden (Sterbe-)Geschäftsjahr das erworbene Stimmrecht neben das Stimmrecht des Erben treten, sodass der Erbe zwei Stimmrechte ausüben kann, selbst wenn die Satzung kein Mehrstimmrecht vorsieht.
Bei dem Erwerb der Mitgliedschaft durch eine Erbengemeinschaft stellt sich dieses Problem nicht, da die Mitgliedschaft zur gesamten Hand verwaltet wird und selbst dann keine Doppelmitgliedschaft vorliegt, wenn ein oder mehrere Miterben eine eigene Mitgliedschaft in der Genossenschaft besitzen.