Rz. 64

Ein Vermächtnisnehmer ist nicht Mitglied der Erbengemeinschaft. Er erhält, soweit es sich um ein Sachvermächtnis handelt, den Vermögensgegenstand nicht vom Erblasser, sondern von den Erben, denen der Gegenstand zunächst steuerlich zuzurechnen ist.

 

Rz. 65

Erhalten die Erben vom Erblasser einen Betrieb und werden sie verpflichtet einen Gegenstand des Betriebsvermögens als Sachvermächtnis herauszugeben, stellt die Erfüllung des Vermächtnisses eine Entnahme dieses Gegenstandes aus dem Betriebsvermögen dar. Der Entnahmegewinn ist ein Gewinn der Erbengemeinschaft und damit allen Miterben anteilig zuzurechnen. Ein Entnahmegewinn entsteht selbst dann, wenn der Vermächtnisnehmer den Gegenstand des Sachvermächtnisses in ein eigenes Betriebsvermögen einbringt.[72]

 

Rz. 66

Die Leistung des Vermächtnisses stellt für die beschwerten Erben keine Leistung für den Erwerb des Nachlasses dar und führt daher nicht als Entgelt zu Anschaffungskosten des Nachlasses.[73]

 

Rz. 67

Besteht das Sachvermächtnis in der Übertragung eines ganzen Betriebs, erzielt die Erbengemeinschaft keinen Veräußerungs- oder Aufgabegewinn. Der Vermächtnisnehmer hat gem. § 6 Abs. 3 EStG die Buchwerte der Erbengemeinschaft fortzuführen.[74]

 

Rz. 68

In der Zeit bis zur Übertragung des Betriebes auf den Vermächtnisnehmer sind die laufenden Einkünfte nach Auffassung der Finanzverwaltung grundsätzlich den Miterben zuzurechnen.[75] Nur im Ausnahmefall[76] können dem Vermächtnisnehmer auch bereits vor Erfüllung des Vermächtnisses die Einkünfte zugerechnet werden, wenn er als Inhaber des Betriebes anzusehen ist. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn er die wirtschaftliche Sachherrschaft über das zum Nachlass gehörende Einzelunternehmen in der Weise ausübt, dass er die Erbengemeinschaft auf Dauer von der Einwirkung auf den Betrieb wirtschaftlich ausschließen kann.[77]

Zu beachten ist des Weiteren die Rechtsprechung, die zumindest für die Fälle, bei denen sich die Auseinandersetzung oder Erfüllung des Vermächtnisses aufgrund unklarer erbrechtlicher Fragen verzögert, eine Rückwirkung Zurechnung der Einkünfte auf den Begünstigten zulässt.[78]

 

Rz. 69

Für die Behandlung von Vermächtnissen ist es unerheblich, ob es sich bei dem Vermächtnisnehmer um einen Dritten oder um einen Miterben (Vorausvermächtnis) handelt.[79]

[72] BMF v. 14.3.2006 – IV B 2 – S-2242 – 7/06 Rn 60.
[74] BMF v. 14.3.2006 – IV B 2 – S-2242 – 7/06 Rn 61.
[75] BMF v. 14.3.2006 – IV B 2 – S-2242 – 7/06 Rn 61.
[76] Geck, ZEV 2004, 279, 281.
[79] BMF v. 14.3.2006 – IV B 2 – S-2242 – 7/06 Rn 64, 65.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge