Rz. 144
Wie den obigen Zahlen zu entnehmen ist, bilden die Klienten, die unter Alkoholeinfluss am Straßenverkehr teilgenommen haben, die größte Zielgruppe. Dies ist wenig verwunderlich, stellt Alkohol in Deutschland doch eine "legale Droge" dar und genießt somit ein höheres gesellschaftliches Ansehen als illegale Drogen. Die Anlässe, um Alkohol zu konsumieren, sind vielfältig und umfassen u.a. das Anstoßen auf eine gute Leistung oder den Abschluss eines Projekts, die Geburtstagsfeier des Freundes, aber auch das "Frustsaufen". Prinzipiell ist gegen den Genuss von Alkohol auch nichts einzuwenden. Die mangelnde Trennung von Alkoholkonsum und Teilnahme am Straßenverkehr hingegen stellt ein großes Problem dar (siehe Abbildung 19.6).
a) Amtliche Unfallstatistik
Rz. 145
Ausgangspunkt der Problematik von "Alkohol am Steuer" ist die Tatsache, dass Alkoholmissbrauch ein Faktor im Rahmen der Unfallverursachung ist, der grundsätzlich gut abgrenzbar von anderen Ursachen ist und deshalb – zumindest theoretisch – einen relativ leicht zu verhindernden Gesichtspunkt darstellt. Gemeint ist, dass z.B. Fehler beim Überholen eingebettet sind in ein sehr komplexes Geschehen. Dieses wird konstituiert vom dynamischen Verhalten zumindest zweier, oft von drei oder noch mehr Verkehrsteilnehmern, von deren Können und Zustand (inklusive Alkoholbeeinflussung) sowie von weiteren Faktoren, wie z.B. Straßenverhältnissen, Wetter, Lichtverhältnissen, allgemeinen und streckenbezogenen Ge- und Verboten. Daran wird deutlich, dass die Reduzierung der Zahl von Unfällen beim Überholen an sehr vielen Stellen und Faktoren ansetzen müsste, um sie zu erreichen.
Rz. 146
Die Unfallursache Alkohol dagegen ist schlicht eliminiert, wenn alle Fahrer nüchtern oder mit höchstens geringen Alkoholmengen am Verkehr teilnehmen würden. Dies zu erreichen ist in der Regel für die meisten Verkehrsteilnehmer offensichtlich kein Problem. Dennoch ist Alkohol eine relativ häufige Unfallursache. Nach der amtlichen Unfall-(ursachen-)Statistik steigt der Anteil von Unfällen, bei denen mindestens einer der Beteiligten unter dem Einfluss von Alkohol stand, mit der Schwere der Unfallfolge (vgl. Tabelle 19.3).
Tab. 19.3: Unfallfolgen bei Alkoholunfällen in Deutschland 2015
|
insgesamt |
davon Alkoholunfälle |
% |
Unfälle mit Personenschaden |
305.659 |
13.239 |
4,3 |
Verunglückte |
|
|
insgesamt |
396.891 |
16.682 |
4,2 |
|
Getötete |
3.459 |
256 |
7,4 |
|
Schwerverletzte |
67.706 |
4.590 |
6,8 |
|
Leichtverletzte |
325.726 |
11.836 |
3,6 |
Unfälle mit Sachschaden |
2.211.172 |
21.237 |
1,0 |
Rz. 147
Im Jahr 2015 wurden insgesamt 2,5 Millionen Unfälle von der Polizei registriert. Bei 34.476 davon wurde die Alkoholisierung von mindestens einem Beteiligten festgestellt. Zwar nimmt die Zahl der Alkoholunfälle seit 1995 kontinuierlich ab und auch die Zahl der durch Alkoholunfälle Getöteten und Verletzten sinkt stetig, dennoch bleibt die Prävention von Alkoholfahrten ein vorherrschendes Thema zur Erhöhung der Verkehrssicherheit. Als Stichwort sei hier die Diskussion zur Einführung von Alkohol-Interlock-Systemen (sogenannte alkoholsensible Wegfahrsperren) genannt (vgl. § 21 Rdn 21 ff.).
Rz. 148
Im Zusammenhang mit der Unfallstatistik muss abschließend betont werden, dass jedes 14. Todesopfer im Straßenverkehr und jeder 23. Unfall mit Personenschaden vermeidbar wäre, wenn Alkohol als Unfallursache ausgeschlossen werden könnte.
b) Einschätzung des Unfallrisikos
Rz. 149
Bei Unfällen mit Personenschaden kann man davon ausgehen, dass in so gut wie jedem Fall die Polizei eingeschaltet wird. In zwei frühen, parallelen Studien kam der Unfallforscher Müller zu dem Ergebnis, dass selbst bei Unfällen mit Getöteten in jedem dritten Fall die Unfallursache Alkohol von der Polizei übersehen wurde. Nach Müllers Befunden steht mit hoher Wahrscheinlichkeit jeder zweite Unfall mit Todesfolge in Zusammenhang mit der Alkoholisierung mindestens ei...