Rz. 77
Umstritten ist die Genehmigungsbedürftigkeit gem. § 1850 Nr. 1 (bis zum 31.12.2022: § 1821 Abs. 1 Nr. 1) BGB, wenn es um eine Verfügung über den Grundbesitz einer GbR geht, an welcher ein Minderjähriger beteiligt ist.
Das OLG Hamburg hat bereits im Jahr 1957 entschieden, dass die Rspr. zu den Personenhandelsgesellschaften auch auf die GbR übertragbar sei, wenn diese ein Erwerbsgeschäft betreibe, nicht dagegen, wenn es sich bei der GbR um eine bloße Vermögensverwaltungsgesellschaft handele. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass bei Erwerbsgesellschaften eine vormundschaftsgerichtliche (heute: familiengerichtliche) Kontrolle der Gründung unter Beteiligung des Minderjährigen bzw. des Beitritts des Minderjährigen gem. § 1822 Nr. 3 BGB a.F. (heute: § 1852 Nr. 2 BGB) gewährleistet sei, nicht aber bei bloßen Vermögensverwaltungsgesellschaften.
Nach Ansicht des OLG Schleswig sind die für Personenhandelsgesellschaften angestellten Erwägungen für eine GbR zumindest dann einschlägig, wenn sie als Erwerbsgesellschaft betrieben wird.
Für rein vermögensverwaltende GbRs haben das OLG Koblenz und das OLG Nürnberg indes entschieden, dass die Veräußerung von Grundstücken durch die GbR selbst dann der familiengerichtlichen Genehmigung gem. § 1821 Abs. 1 Nr. 1 und 4 BGB a.F. (heute: § 1850 Nrn. 1 und 5 BGB) bedürfe, wenn der Beitritt des Minderjährigen zu der Gesellschaft bereits gerichtlich genehmigt worden war. Das OLG Koblenz hat maßgeblich darauf abgestellt, dass – auch aufgrund besonderer Satzungsbestimmungen (die Umschichtung von Vermögenswerten sollte ggü. Der Fruchtziehung nur im konkreten Einzelfall und ausnahmsweise stattfinden; in der Präambel des Gesellschaftsvertrages wurde der Wunsch geäußert, das Vermögen solle möglichst zusammenbleiben) – "die Prüfung bei der Genehmigung des Beitritts zur Gesellschaft (…) gerade nicht die mögliche Veräußerung von Teilen des Gesellschaftsvermögens durch den Geschäftsführungsbevollmächtigten (umfasste)."
Auch in der Lit. wird die Rechtslage uneinheitlich beurteilt. Vereinzelt wird noch für die Verfügung über ein Grundstück einer GbR, an der ein Minderjähriger beteiligt ist, stets und ohne Einschränkung die familiengerichtliche Genehmigung gefordert. Mit Blick auf die nunmehr anerkannte Rechtsfähigkeit der Außen-GbR wird dagegen teilweise vertreten, Verfügungen über das Vermögen einer Außen-GbR seien ebenso zu behandeln wie Verfügungen über das Vermögen juristischer Personen und seien daher schlechthin nicht genehmigungsbedürftig, und zwar unabhängig davon, ob die GbR ein Erwerbsgeschäft betreibe oder lediglich vermögensverwaltend tätig sei. Die wohl überwiegende Auffassung in der Lit. stellt hingegen darauf ab, ob die GbR ein Erwerbsgeschäft i.S.d. § 1852 Nr. 2 BGB (bis zum 31.12.2022: § 1822 Nr. 3 BGB a.F.) betreibt und der Beitritt des Minderjährigen zu der Gesellschaft daher nach dieser Vorschrift genehmigungsbedürftig war.
Rz. 78
Die potentielle Rechtsfähigkeit der GbR ist seit dem 1.1.2024 nunmehr auch ausdrücklich im Gesetz anerkannt (§ 705 Abs. 2 BGB). Seit dem 1.1.2024 müssen sich grundbesitzhaltende Gesellschaften bürgerlichen Rechts faktisch im neu geschaffenen Gesellschaftsregister eintragen lassen (§§ 707 ff. BGB). Aufgrund der immer stärkeren Angleichung der GbR an die Personenhandelsgesellschaften überzeugt es nicht, die Veräußerung von Gesellschaftsgrundbesitz einer GbR stets dem Genehmigungstatbestand des § 1850 Nr. 1 BGB zu unterwerfen. Aus Gründen des Minderjährigenschutzes spricht andererseits viel dafür, dass eine solche Verfügung nach dieser Vorschrift genehmigungsbedürftig ist, wenn es sich um eine rein vermögensverwaltende Gesellschaft handelt und der Beitritt des Minderjährigen (deshalb) nicht gerichtlich genehmigt wurde. Andernfalls könnte jede gerichtliche Kontrolle durch die Zwischenschaltung einer Gesellschaft ohne Weiteres umgangen werden. Dem Minderjährigenschutz ist aber Genüge getan, wenn schon der Beitritt des Minderjährigen zu der Gesellschaft nach § 1822 Nr. 3 oder Nr. 10 BGB a.F. bzw. gem. § 1852 Nr. 2 BGB genehmigt wurde, und zwar – entgegen der Meinung des OLG Koblenz – ohne Rücksicht darauf, ob die Gesellschaft tatsächlich (noch) ein Erwerbsgeschäft im Sinne dieser Vorschrift betreibt. Einer weiteren Genehmigung der Grundstücksveräußerung durch die Gesellschaft bedarf es dann nicht.
Hinweis
Für die Praxis empfiehlt es sich, mit Rücksicht auf die Rspr. des OLG Koblenz und des OLG Nürnberg, in den nach § 1852 Nr. 2 BGB zu genehmigenden Gesellschaftsvertrag (s. dazu auch Rdn 15 ff.) ausdrücklich eine Regelung aufzunehmen, wonach die Veräußerung von Gesellschaftsgrundbesitz von der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis der geschäftsführenden Gesellschafter umfasst wird, da dann für derartige Veräußerungen eine gesonderte gerichtliche Genehmigung nicht mehr erforderlich ist.