Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 1735
In einer Zielvereinbarung legen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam bestimmte Ziele fest, die der Arbeitnehmer in einem vorgegebenen Zeitraum erreichen soll. Hierfür wird ihm regelmäßig eine variable Vergütung zusätzlich zu seinem Fixgehalt zugesagt, deren Höhe sich nach dem Grad der Zielerreichung bemisst. Nicht entgeltbezogene Zielvereinbarungen sind gleichfalls möglich (z.B. sog. Performance Improvement Plans), in der Praxis jedoch seltener anzutreffen. Die Bandbreite möglicher Ziele ist groß. Neben "harten" Zielen wie Umsatz und Gewinn ist eine Vielzahl "weicher" (d.h. wertender) Ziele denkbar. Häufig anzutreffende Beispiele hierfür sind Kundenzufriedenheit, Teamfähigkeit oder Beurteilungen durch Vorgesetzte.
Rz. 1736
Zielvereinbarungen sind von anderen Formen variabler Vergütung abzugrenzen. Werden die Ziele nicht einvernehmlich vereinbart, sondern einseitig vom Arbeitgeber vorgegeben, spricht man von einer Zielvorgabe. Eine Tantieme liegt vor, wenn die Erreichung der festgelegten Ziele unabhängig von der individuellen Leistung des Arbeitnehmers ist. Ihre Höhe bemisst sich allein nach dem unternehmerischen Erfolg, meist dem Jahresgewinn. Bei einer Provision richtet sich die Höhe der variablen Vergütung eines Arbeitnehmers nach dem Wert der von ihm vermittelten oder getätigten Geschäftsabschlüsse. Die für Handlungsgehilfen insoweit geltenden Vorschriften der § 65 i.V.m. §§ 87 ff. HGB sind auf Arbeitnehmer entsprechend anwendbar. Provisionen sind vor allem bei im Vertrieb beschäftigten Mitarbeitern verbreitet. Beim Akkordlohn wird der Arbeitnehmer nicht nach Zeitabschnitten vergütet, sondern entsprechend der geleisteten Arbeitsmenge.
Rz. 1737
Bei Zielvereinbarungen schließen Arbeitgeber und Arbeitnehmer häufig sowohl eine Rahmen- als auch Einzelvereinbarung ab. Die Rahmenvereinbarung fasst dabei alle Grundsätze zusammen, die für die künftig abzuschließenden Einzelvereinbarungen gelten sollen. Dieses "vor die Klammer ziehen" der wesentlichen Vorschriften betreffend den Zielvereinbarungsprozess erleichtert den späteren Abschluss der Einzelvereinbarungen. Um spätere Streitigkeiten zu vermeiden, sollten Arbeitgeber und Arbeitnehmer insbesondere die zu erreichenden Ziele bereits in der Rahmenvereinbarung grob charakterisieren. Sie sollten klarstellen, ob bzw. bis zu welchem Anteil die Höhe der variablen Vergütung vom Grad der individuellen Zielerreichung (individuelle Ziele) abhängt und inwieweit die Erfüllung bestimmter Unternehmensziele (mit) in die Berechnung des Zielbonus einfließt (ergebnisabhängige Ziele). Empfehlenswert ist auch zu regeln, ob die individuellen Ziele quantitativer und/oder qualitativer Natur sein können. Gleichfalls sollte der Modus der Zielfestlegung Eingang in die Rahmenvereinbarung finden, d.h. die Art und Weise, wie die (abstrakten) Ziele in den Einzelvereinbarungen (konkret) festgesetzt werden. Denkbar hierfür ist ein Mitarbeitergespräch mit dem jeweiligen Vorgesetzen vor Beginn eines Geschäftsjahres. In die Rahmenvereinbarung sollte überdies ein Mechanismus zur Feststellung der Zielerreichung aufgenommen werden. Denn gerade bei "weichen Zielen" kann dies Schwierigkeiten bereiten und ein erhebliches Konfliktpotential bergen. Es ist von Vorteil, dem Arbeitgeber ein einseitiges Bestimmungsrecht für den Fall einzuräumen, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer innerhalb einer bestimmten Frist zu keiner Einigung über die Zielfestsetzung bzw. Zielfeststellung in der Einzelvereinbarung kommen. Die gerichtliche Kontrollintensität des Bestimmungsrechts nach § 315 BGB fällt umso geringer aus, je konkreter der arbeitgeberseitige Handlungsspielraum durch die Rahmenvereinbarung vorgegeben ist. Dort sollten schließlich auch etwaige Änderungsvorbehalte vereinbart werden.
Rz. 1738
Die Einzelvereinbarungen werden auf Grundlage der Rahmenvereinbarung in bestimmten Zeitabständen abgeschlossen, z.B. quartalsweise oder für ein Geschäfts- oder Kalenderjahr. In den Einzelvereinbarungen werden die zu erreichenden Ziele näher bestimmt. Dies sollte möglichst konkret und präzise geschehen. Andernfalls sind Streitigkeiten über die Zielerreichung vorprogrammiert. Welche Ziele Grundlage der Vereinbarung werden, steht den Vertragsparteien grundsätzlich frei. Demnach dürfen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auch Ziele vereinbaren, auf deren Erfüllung der Arbeitnehmer selbst keinen unmittelbaren Einfluss nehmen kann.