Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 237
Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG darf ein Arbeitnehmer, der sich selbstständig machen will, seine künftige Tätigkeit auch schon vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorbereiten. § 60 Abs. 1 HGB verbietet ihm lediglich die Aufnahme der werbenden Tätigkeit, insbesondere also das Vorbereiten der Vermittlung und des Abschlusses von Konkurrenzgeschäften. Unzulässig sind aber solche Vorbereitungsmaßnahmen, die schon selbst als Teil der werbenden Tätigkeit aufzufassen sind. Allgemeine Vorbereitungshandlungen, die in die Interessen des Arbeitgebers nicht unmittelbar eingreifen, erfüllen die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 HGB hingegen nicht. Ein arbeitsvertragliches Verbot solcher allgemeinen Vorbereitungshandlungen würde den Arbeitnehmer in seiner Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG einschränken, ohne dass ein rechtliches Interesse des Arbeitgebers hieran bestünde. Die Unwirksamkeit eines solchen Verbots allgemeiner Vorbereitungshandlungen ergibt sich bereits aus § 307 Abs. 2 BGB, da es sich um eine unangemessene Benachteiligung entgegen dem wesentlichen Grundgedanken der Berufsausübungsfreiheit handelt. Darüber hinaus ist eine solche Klausel aber auch nach Maßgabe der §§ 74, 74a HGB unverbindlich. Denn das Verbot kommt einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot gleich, das mangels der Zusage einer Karenzentschädigung nichtig ist.(siehe auch § 1b Rdn 860) Klauseln, die die Vorbereitung einer konkurrierenden Tätigkeit, z.B. das Ansprechen von Kollegen während der Dauer des Arbeitsverhältnisses verbieten, sind daher nur dann rechtlich zulässig, wenn sie ein ohnehin nach Maßgabe des § 60 HGB verbotenes Verhalten vertraglich konkretisieren bzw. die Grenzen des erlaubten Verhaltens festlegen.
Rz. 238
Eine Grenze findet die Zulässigkeit von Vorbereitungshandlungen für eine spätere andere Tätigkeit dann, wenn diese einen unmittelbaren nachteiligen Einfluss für die Geschäftstätigkeit des Arbeitgebers mit sich bringt. Daher ist für die Abgrenzung der (noch) erlaubten Vorbereitungshandlung von der verbotenen Konkurrenztätigkeit entscheidend, ob durch das Handeln bereits unmittelbar in die Geschäfts- und Wettbewerbsinteressen des Arbeitgebers eingegriffen wird. Unzulässig ist es, bereits aktiv in fremden Diensten zu arbeiten. Unzulässig ist auch beispielsweise die Kontaktaufnahme mit Kunden und anderen Vertragspartnern des Arbeitgebers zum Zwecke der Abwerbung, da hierdurch dessen Interessen noch während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses unmittelbar gefährdet werden. Erlaubt ist es einem Arbeitnehmer hingegen, Absprachen mit Konkurrenzunternehmen für ein Überwechseln nach Vertragsende zu treffen, Waren zu kaufen oder Mitarbeiter anzuwerben, solange es sich nicht um Arbeitnehmer des aktuellen Arbeitgebers handelt, Geschäftsräume für die eigene Tätigkeit nach Vertragsende anzumieten oder einen Arbeitsvertrag mit einem konkurrierenden Unternehmen abzuschließen, solange der Vertragsbeginn sich erst an das (mögliche) Ende mit dem bisherigen Arbeitgeber anschließt.
Rz. 239
Demgegenüber stellen das Abwerben von Kunden des Arbeitgebers sowie insbesondere das aktive Abwerben von Arbeitnehmern des aktuellen Arbeitgebers für ein eigenes oder ein fremdes Gewerbe einen Eingriff in die geschützte Interessenssphäre des Arbeitgebers dar, der folglich auch arbeitsvertraglich untersagt werden kann. Es handelt sich bereits um eine Aufnahme der werbenden Tätigkeit noch während des laufenden Arbeitsverhältnisses und nicht mehr um eine Vorbereitungsmaßnahme. Solche Eingriffe in die Rechtssphäre des Arbeitgebers sind nach richtiger Ansicht als unmittelbare Gefährdung der Geschäftsinteressen des Arbeitgebers als Verstoß gegen das vertragliche Wettbewerbsverbot zu werten. Soweit vertreten wird, dass über das schlichte Abwerben hinaus zusätzliche Umstände zu fordern sind, die die Abwerbung als sittenwidrig erscheinen lassen, ist dem nicht zu folgen. Bereits die Tatsache des Eingriffs in die rechtliche Interessenssphäre des Arbeitgebers ist in Verbindung mit den arbeitsrechtlichen Treuepflichten als Vertragsverstoß zu werten; einer besonderen Sittenwidrigkeit bedarf es daher nicht. Dementsprechend kann das aktive Abwerben von Kollegen noch während der Dauer des Arbeitsverhältnisses vertraglich untersagt werden.
Rz. 240
§§ 74 ff. HGB stehen einer Klausel, mit der es Arbeitnehmern verboten wird, andere Beschäftigte abzuwerben, nicht entgegen. Das Abwerbeverbot während der Dauer des Arbeitsverhältnisses richtet sich nicht darauf, dem Arbeitnehmer eine spätere Wettbewerbstätigkeit zu untersagen. Es richtet sich lediglich auf das Verbot, die Tätigkeit des Arbeitgebers durch aktives Tun noch während der Dauer des Arbeitsverhältnisses entgegen dem vertraglichen Wettbewerbsverbot zu beeinträchtigen. Aus diesem Grunde bedarf es auch nicht der Vereinbarung einer Karenzentschädigung zur Wirksamkeit eines solchen vertraglichen Verbots.
Rz. 241
Die Zulässigkeit eines vertraglichen Abwerbev...