Dr. Katja Francke, Dr. Norma Studt
Rz. 612
Die Rechtsbeziehung zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer richtet sich grds. nach den allgemeinen arbeitsrechtlichen Regelungen, soweit keine gesetzlichen Sonderregelungen gelten. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) sieht derartige Sonderregelungen, insbesondere in § 11 AÜG, vor. Das Vertragsmuster behandelt lediglich solche Regelungen, die aufgrund der Besonderheiten in der Zeitarbeit von den allgemeinen arbeitsvertraglichen Regelungen abweichen, insoweit wird nachfolgend auf die allgemeinen arbeitsvertraglichen Regelungen und die dazu ergangenen Kommentare verwiesen (siehe § 1a Rdn 218).
Rz. 613
In der Praxis wird von nahezu allen Zeitarbeitsunternehmen die Geltung eines Tarifvertrages auf das Anstellungsverhältnis zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer vereinbart. Materiell-rechtlich ist die Inbezugnahme auf einen Tarifvertrag insbesondere zur Vermeidung des so genannten Gleichbehandlungsgrundsatzes ("Equal Pay/Equal Treatment") erforderlich, der sich aus §§ 3 Abs. 1 Nr. 3, 9 Abs. 1 Nr. 2 AÜG ergibt. Danach wäre der Verleiher verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen, einschließlich des Arbeitsentgeltes zu gewähren, es sei denn, mit dem Leiharbeitnehmer ist die Anwendung eines Tarifvertrages vereinbart worden. Daher soll auch bei der Vertragsgestaltung von der Anwendung eines Tarifvertrages, und zwar des Manteltarifvertrages Zeitarbeit, abgeschlossen zwischen dem Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP) und den einzelnen Mitgliedsgewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) vom 22.7.2003 in seiner durch Änderungstarifverträge angepassten jeweils geltenden Fassung sowie dem dazugehörigen Entgeltrahmentarifvertrag Zeitarbeit und dem Entgelttarifvertrag Zeitarbeit ausgegangen werden. Die Möglichkeit der Abweichung "nach unten" wurde zuletzt vom EuGH und vom BAG für die Tarifwerke iGZ/ver.di bestätigt, wenn für die geringere Vergütung tarifliche Ausgleichsvorteile vorgesehen werden. Eine Schlechterstellung der Leiharbeitnehmer verstößt nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Leiharbeitnehmer nach Art. 5 Abs. 3 RL 2008/104/EG, soweit der Gesamtschutz der Leiharbeitnehmer beachtet wird. Hierzu müssen Vorteile die aus der Ungleichbehandlung resultierenden Nachteile kompensieren und auf diesem Wege neutralisieren. Ein solcher Vorteil kann in Zusammenschau mit den gesetzlichen Schutzmechanismen (z.B. Unabdingbarkeit von § 615 S. 1 BGB gem. § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG, Lohnuntergrenzen, zeitliche Begrenzung der Abweichmöglichkeit) beispielsweise die Entgeltfortzahlung auch in verleihfreien Zeiten darstellen.
Soweit keine Geltung eines Tarifvertrages vereinbart werden soll, kommen alternative Formulierungen für Unternehmen ohne Tarifanwendung und sog. Mischbetriebe in Betracht.
Rz. 614
Für den Leiharbeitsvertrag besteht kein generelles Schriftformerfordernis. Unabhängig davon verweist § 11 Abs. 1 S. 1 AÜG auf die Regelungen des Nachweisgesetzes, sodass die Mindestangaben im Leiharbeitsvertrag insoweit gesetzlich vorgegeben sind. Der Katalog des § 2 Abs. 1 S. 2 NachwG, der durch § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 2 AÜG ergänzt wird, legt fest, welche Angaben die vom Verleiher zu unterzeichnende Niederschrift über den wesentlichen Inhalt des Leiharbeitsverhältnisses oder der schriftliche Leiharbeitsvertrag (§ 2 Abs. 4 NachwG) enthalten muss. Dabei handelt es sich lediglich um Mindestangaben und nicht etwa um eine Legaldefinition dessen, was zum "wesentlichen Inhalt" eines Leiharbeitsverhältnisses gehört. Treffen die Vertragsparteien weitere Vereinbarungen, die ebenfalls zum wesentlichen Inhalt des Leiharbeitsvertrags gehören, aber nicht im Katalog des § 2 Abs. 1 S. 2 NachwG und in § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 2 AÜG aufgeführt sind, so müssen sie gleichwohl in die Niederschrift oder den schriftlichen Arbeitsvertrag aufgenommen werden.