Dr. Katja Francke, Dr. Norma Studt
Rz. 681
Natürliche Personen, die in der Bundesrepublik Deutschland entweder ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, sind im Inland unbeschränkt steuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 EStG). Eine Person hat ihren Wohnsitz dort, wo sie eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lässt, dass sie die Wohnung beibehalten und benutzen wird (§ 8 AO). Der gewöhnliche Aufenthalt einer Person ist dort belegen, wo sie sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass sie an diesem Ort nicht nur vorübergehend verweilt (§ 9 AO). Die unbeschränkte Steuerpflicht kann daher auch für Mitarbeiter mit Wohnsitz und/oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland bestehen, wenn diese eine Tätigkeit im Ausland ausüben.
Rz. 682
Zu beachten sind die zwischen der Bundesrepublik Deutschland und einer Vielzahl anderer Staaten abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA). DBA werden dabei regelmäßig auf der Grundlage eines OECD-Musterabkommens geschlossen, das unter Art. 15 Abs. 1 unabhängig vom Wohnsitz/gewöhnlichen Aufenthalt des Arbeitnehmers grds. eine Besteuerung von Einkünften aus unselbstständiger Arbeit auch im jeweiligen Tätigkeitsstaat ermöglicht. Nach Art. 15 Abs. 2 des OECD-Musterabkommens erfolgt jedoch abweichend von diesem Grundsatz eine Besteuerung nur im Wohnsitzstaat, wenn
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sich der Arbeitnehmer innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten, der während des betreffenden Steuerjahres beginnt oder endet, nicht länger als 183 Tage in dem anderen Staat aufhält und |
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die Vergütungen von oder für einen Arbeitgeber gezahlt werden, der nicht in dem anderen Staat ansässig ist, und |
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die Vergütungen nicht von einer Betriebsstätte getragen werden, die der Arbeitgeber im anderen Staat hat. |
Rz. 683
Zu dem maximalen Zeitraum von 183 Tagen sind die Tage der physischen Anwesenheit des Arbeitnehmers im Tätigkeitsstaat, also auch die An- und Abreisetage, Urlaubs- und Krankheitstage zu rechnen. Ebenso sind Tage mit zu berücksichtigen, an denen der Arbeitnehmer nur kurz in dem Tätigkeitsstaat anwesend gewesen ist. Ist ein Arbeitnehmer mehr als 183 Tage im Tätigkeitsstaat tätig, so besteht ein Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaates demnach auch dann, wenn dieser Mitarbeiter jeden Tag an seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland zurückkehrt. In diesen Fällen sind dann jedoch eventuell bestehende Grenzgängerregelungen zu beachten. Unabhängig von der 183-Tage-Regel findet eine Besteuerung im ausländischen Tätigkeitsstaat statt, wenn ein ausländisches Unternehmen wirtschaftlicher Arbeitgeber des ins Ausland entsandten Arbeitnehmers ist, also die diesem gezahlten Vergütungen wirtschaftlich trägt. Das gleiche gilt, wenn die Vergütung durch eine ausländische Betriebsstätte getragen wird, also die Vergütung durch den inländischen Arbeitgeber an die ausländische Betriebsstätte im Einsatzstaat weiterbelastet wird.
Rz. 684
Wird nach der DBA-Regelung Steuer für den gezahlten Lohn durch den ausländischen Tätigkeitsstaat erhoben, so kann der Arbeitnehmer oder Arbeitgeber beim zuständigen Betriebsstättenfinanzamt insoweit eine Freistellungsbescheinigung beantragen, in der bescheinigt wird, dass der für die Auslandstätigkeit gezahlte Arbeitslohn nicht der deutschen Lohnsteuer unterliegt. Zu beachten ist, dass die von der deutschen Besteuerung aufgrund des DBA freigestellten ausländischen Einkünfte gem. § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG unter einem so genannten Progressionsvorbehalt stehen. Für die Bestimmung des bei einer inländischen Veranlagung zu ermittelnden Steuersatzes sind die ausländischen Einkünfte mit zu berücksichtigen (§ 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG).
Rz. 685
Soweit für das Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem jeweiligen ausländischen Einsatzstaat kein DBA besteht, kommt eine Steuerbefreiung nach dem so genannten Auslandstätigkeitserlass (ATE) in Betracht. Dieser begünstigt jedoch nur bestimmte Arten von Auslandstätigkeiten (Planung, Errichtung, Wartung von Fabriken, Bauwerken, ortsgebundenen Maschinen, u.Ä.; öffentlichen Entwicklungshilfe) wenn diese mindestens drei Monate ununterbrochen ausgeübt werden. Neben dem ATE kommt auch eine Anrechnung der ausländischen Steuer nach § 34c Abs. 1 EStG oder ein Abzug gezahlter ausländischer Steuern von der Bemessungsgrundlage nach § 34c Abs. 3 EStG zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung in Betracht.