Rz. 64
Zuallererst denkt man bei mehreren Auftraggebern an die Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG. Danach gilt: Sind in derselben Angelegenheit mehrere Personen Auftraggeber, erhöht sich die Verfahrens- oder Geschäftsgebühr für jede weitere Person um 0,3 oder 30 % bei Festgebühren, bei Betragsrahmengebühren erhöhen sich der Mindest- und Höchstbetrag um 30 %. Teilweise wird daher automatisch bei mehreren Mandanten die Nr. 1008 VV RVG in Ansatz gebracht.
Rz. 65
Doch Vorsicht: In den meisten Mandaten wird nach Wert abgerechnet. Und gerade hier ist ein genauerer Blick gefragt. Denn wie sich aus Abs. 1 ergibt, gilt die Vorschrift bei Wertgebühren nur, soweit der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit derselbe ist. Dies ist in der Regel der Fall, wenn die Mandanten einen Anspruch als Gesamtgläubiger geltend machen oder als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden. Handelt es sich hingegen um verschiedene Gegenstände, da jeder Mandant einen eigenen Anspruch hat oder gegen jeden ein eigener Anspruch geltend gemacht wird, findet Nr. 1008 VV RVG keine Anwendung. Anders ist dies bei den wertunabhängigen Gebühren. Hier kann die Erhöhung unabhängig von einer Gegenstandsidentität geltend gemacht werden.
Rz. 66
Mehrere Erhöhungen dürfen nach Anm. Abs. 3 zu Nr. 1008 VV RVG einen Gebührensatz von 2,0 nicht übersteigen; bei Festgebühren dürfen die Erhöhungen das Doppelte der Festgebühr und bei Betragsrahmengebühren das Doppelte des Mindest- und Höchstbetrags nicht übersteigen. Übersteigt die Erhöhung das Doppelte der Ausgangsgebühr, ist das unschädlich.
Nicht ganz unumstritten war, wie sich die Erhöhung auf die "Schwellengebühr" auswirkt. Früher wurde teilweise vertreten, dass auch bei Anwendung der Nr. 1008 VV RVG die Kappungsgrenze bestehen bleibt. Das BSG hatte allerdings bereits 2009 entschieden, dass sich in den sozialrechtlichen Angelegenheiten der Schwellenwert für die Geschäftsgebühr erhöht, wenn der Rechtsanwalt in derselben Sache für mehrere Auftraggeber tätig wird. Mit einer entsprechenden Ergänzung durch das 2. KostRMoG hat dies dann auch der Gesetzgeber klargestellt, da ohne die Erhöhung der Kappungsgrenze die Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG häufig ins Leere ginge. Die Anm. Abs. 4 zu Nr. 1008 VV RVG bestimmt daher, dass im Fall der Anmerkung zu den Gebühren 2300 und 2302 sich der Gebührensatz oder Betrag dieser Gebühren entsprechend erhöht.
Rz. 67
Bei einer Beratung im Rahmen des § 34 RVG kommt eine Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG für mehrere Auftraggeber nicht in Betracht. Dies war früher umstritten. Der Gesetzgeber hat eine entsprechende Erhöhung inzwischen ausdrücklich abgelehnt. Im Rahmen einer Änderung der Vorbem. 1 zu Teil 1 VV RVG hat er die Gelegenheit genutzt, in der Gesetzesbegründung klarzustellen, dass neben der Beratungsgebühr nach § 34 RVG kein Mehrvertretungszuschlag entsteht. Nach dem Gebührentatbestand sind nur Geschäfts- und Verfahrensgebühren erhöhungsfähig. Eine solche sei die Beratungsgebühr nach § 34 RVG nicht.
Rz. 68
Nicht jede Personenmehrheit führt zum Anfall einer Erhöhung. Es kommt darauf an, ob es sich um eine rechtsfähige Gemeinschaft handelt, die in ihren eigenen Rechten tangiert ist. Ist dies der Fall, vertritt der Anwalt nur einen Auftraggeber. Liegt keine Rechtsfähigkeit vor, handelt es sich um mehrere Auftraggeber. Hier sollte im Zweifel mittels Kommentierung genau geprüft werden, welcher Fall gegeben ist.
Rz. 69
Da die Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG keine eigene Gebühr ist, sondern lediglich die grundlegende Betriebsgebühr erhöht, ist die Erhöhung bei einer Anrechnung zu berücksichtigen – angerechnet wird daher die erhöhte Gebühr. Dies führt jedoch nicht dazu, dass sich auch die Anrechnungsgrenze erhöht. Unabhängig von der Anzahl der Auftraggeber verbleibt es bei den in Vorbem. 2.3 Abs. 4 sowie Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG geregelten anzurechnenden Höchstbeträgen. In der Gesetzesbegründung zum 2. KostRMoG zur Ergänzung der Nr. 1008 VV RVG wurde dazu ausgeführt, dass mangels einer ausdrücklichen Regelung sich damit auch diese Streitfrage klären dürfte. Da keine zu Anm. Abs. 4 zu Nr. 1008 VV RVG entsprechende Regelung in das Gesetz (bei Vorbem. 2.3 Abs. 4 sowie Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG) eingefügt wird, werde klar, dass sich dieser (Anrechungs-)Betrag nicht erhöhen soll. Sinn der Höchstgrenze sei es, ein Mehr an Umfang und Schwierigkeit der außergerichtlichen Tätigkeit auch nach einer Anrechnung angemessen zu entgelten. Erhöht man die Anrechnungsgrenze auch bei mehreren Auftraggebern, würde dem Anwalt durch die Anrechnung gerade die für die Mehrarbeit zusätzlich angefallene Gebühr wieder entzogen.