Rz. 67

Bei übereinstimmender Erledigungserklärung der Parteien reduziert sich der Gegenstandswert erst, wenn die letzte der beiden Erklärungen dem Gericht vorliegt, denn erst dann ist die Erledigungserklärung wirksam.

 

Rz. 68

Erfolgt die übereinstimmende Erledigungserklärung der Parteien im Termin zur mündlichen Verhandlung, entsteht daher eine volle Terminsgebühr nach dem Wert der Hauptsache, da der Verfahrensgegenstand im maßgeblichen Zeitpunkt, d.h. bei Aufruf der Sache, noch unvermindert ist.[29] Dies gilt auch, wenn nach Abgabe der Erledigungserklärungen ggf. nur noch über die Kostentragungspflicht gestritten wird.

 

Rz. 69

 

Beispiel

Anwalt A erhebt im Auftrag von Halter H Klage über 10.000 EUR gegen den gegnerischen Fahrer, den Halter und den Versicherer. Das Gericht bestimmt Termin zur mündlichen Verhandlung. Unmittelbar vor dem Termin zahlt der Versicherer die Klageforderung. Im Termin wird daher der Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

A kann folgende Gebühren aus einem Gegenstandswert von 10.000 EUR abrechnen:

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100   798,20 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104   736,80 EUR
3. Auslagenpauschale, VV 7002   20,00 EUR
Zwischensumme 1.555,00 EUR  
4. Umsatzsteuer, VV 7008   295,45 EUR
Gesamt   1.850,45 EUR
 

Rz. 70

Etwas anderes kann gelten, wenn der Anwalt von seinem Mandanten allein damit beauftragt wird, die Erledigungserklärung im Termin abzugeben, oder wenn ein bisher nicht mit dem Rechtsstreit befasster Anwalt beauftragt wird, hinsichtlich der Kostenverteilung (§ 91a ZPO) tätig zu werden.[30] In einem derartigen Fall mangelt es an einem entsprechenden Auftrag hinsichtlich der Hauptsache, so dass die Terminsgebühr nur noch aus dem Kostenwert entstehen kann.

 

Rz. 71

Geben die Parteien schon vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung eine übereinstimmende Erledigungserklärung ab, entscheidet das Gericht nur noch gemäß § 91a ZPO über die Kosten. Trifft das Gericht diese Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, so fällt keine Terminsgebühr an, auch keine solche nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG, da eine mündliche Verhandlung gemäß § 128 Abs. 3 ZPO für das Verfahren nach § 91a ZPO nicht vorgeschrieben ist.[31]

 

Rz. 72

 

Hinweis

Der Anwalt kann in solchen Fällen dennoch eine Terminsgebühr verdienen, wenn er vor Abgabe einer schriftlichen Erledigungserklärung eine auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete (mündliche oder fernmündliche) Besprechung mit dem Gegner durchführt (vgl. Vorb. 3 Abs. 3 Nr. 2 VV RVG).

 

Rz. 73

Welchen Einfluss die einseitige Erledigungserklärung auf den Gegenstandswert der Terminsgebühr hat, ist umstritten. Nach einer Meinung[32] bleibt es trotz Erledigungserklärung beim ursprünglichen Hauptsachewert, nach anderer Meinung[33] ist – dem Grunde nach vergleichbar mit den Fällen der positiven Feststellungsklage – ein Abschlag vom Hauptsachewert von ca. 50 % vorzunehmen. Nach einer dritten Meinung[34] reduziert sich der Gegenstandswert ab Erledigungserklärung auf den Kostenwert.

 

Rz. 74

Für den Fall, dass die Erledigungserklärung erst im Termin abgegeben wird, ist dieser Meinungsstreit unerheblich. Denn wenn die Partei nach Aufruf der Sache eine Erledigungserklärung abgibt, ist die 1,2-Terminsgebühr aus dem Wert der Hauptsache bereits angefallen.[35] Wird die einseitige Erledigungserklärung vor dem Termin schriftsätzlich abgegeben und bestimmt das Gericht daraufhin Termin zur mündlichen Verhandlung, so entsteht die 1,2-Terminsgebühr nach der ersten Meinung aus dem vollen Hauptsachewert, nach der zweiten Meinung aus dem um 50 % reduzierten Hauptsachewert und nach der dritten Meinung nur aus dem Kostenwert.

[29] Enders, JurBüro 2005, 113, 114; N. Schneider, AGS 2003, 99.
[30] Vgl. Enders, JurBüro 2005, 113, 114.
[31] BGH AGS 2007, 610 = JurBüro 2008, 23; OLG Karlsruhe AGS 2007, 346; AG Hamburg RVGreport 2006, 346 mit Anm. Hansens.
[32] OLG Schleswig OLGR 2004, 342; OLG München JurBüro 1996, 368; OLG Köln FamRZ 1995, 1214; OLG Frankfurt JurBüro 1993, 557; OLG Düsseldorf NJW-RR 1993, 510; OLG Karlsruhe AnwBl 1973, 360.
[33] OLG Brandenburg AGS 2001, 205; OLG München JurBüro 1995, 644; OLG Köln JurBüro 1991, 832.
[34] BGH NJW-RR 1996, 1210; BGH NJW-RR 1993, 765; OLG Hamm RVG-Berater 2004, 51; OLG Dresden NJW-RR 2001, 428; OLG Hamm MDR 2000, 175; OLG München NJW 1995, 1086; OLG Hamburg JurBüro 1993, 363.
[35] So auch Enders, JurBüro 2005, 113; N. Schneider, AGS 2005, 99; kritisch Gerold/Schmidt (Müller-Rabe/­Mayer), RVG, Teil D Anhang VI Rn 249.

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