Rz. 362
Reagiert der Antragsgegner auf die Beantragung des Mahnbescheides weder mit einem Forderungsausgleich noch mit einem Widerspruch, kann der Rechtsdienstleister frühestens zwei Wochen nach Zustellung des Mahnbescheides (§§ 691 Abs. 1 Nr. 3, 699 Abs. 1 S. 2 ZPO) und bis spätestens sechs Monate nach diesem Zeitpunkt (§ 701 ZPO) den Erlass eines Vollstreckungsbescheides beantragen. Gleiches gilt, wenn der Antragsgegner seinen Widerspruch zurücknimmt. Für seine Tätigkeit in diesem Verfahren erhält der Rechtsdienstleister eine weitere – grundsätzlich anrechnungsfreie – 0,5-Verfahrengebühr nach Nr. 3308 VV RVG neben der Gebühr aus Nr. 3305 VV RVG.
Hinweis
Allerdings ist der Rechtsdienstleister nicht gehindert auch noch nach dem Widerspruch des Schuldners die Gründe hierfür zu klären und mit dem Ziel der Vermeidung des Antrages auf Erlass eines Vollstreckungsbescheides fernmündlich oder persönlich eine gütliche Einigung zu suchen und abzuschließen. Es kann dann einerseits die Terminsgebühr nach Vorbem. 3.3.2 i.V.m. Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 i.V.m. Nr. 3104 VV RVG sowie die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Nr. 1 oder Nr. 2 VV RVG – im letztgenannten Fall ggfs. unter Beachtung der Streitwertreduzierung nach § 31b RVG – anfallen und erstattungsfähig sein.
Wird der Antrag vor oder nach Ablauf des bezeichneten Zeitraumes gestellt, entsteht die Verfahrensgebühr nach S. 1 der Anm. zu Nr. 3308 VV RVG nicht, weil das Verfahren zum Erlass eines Vollstreckungsbescheides nicht eröffnet ist. Das gilt auch dann, wenn der Widerspruch innerhalb der zweiwöchigen Widerspruchsfrist erhoben wurde, der Rechtsdienstleister davon aber erst nach Ablauf der Widerspruchsfrist und dem danach gestellten Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheides Kenntnis erlangt. Ist der Widerspruch beschränkt, so entsteht die Gebühr aus dem Gegenstandswert, der von dem Widerspruch nicht betroffen ist. Unbeschränkt entsteht die 0,5-Verfahrensgebühr, wenn der Widerspruch auf den Vorbehalt der Rechte im Nachverfahren im Urkundsmahnverfahren nach § 703a Abs. 2 Nr. 4 ZPO beschränkt ist.
Rz. 363
Wird der Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheides dagegen nach Ablauf der mindestens zweiwöchigen Widerspruchsfrist gestellt, obwohl bereits ein (späterer, aber nicht verspäteter) Widerspruch des Antragsgegners vorliegt, von dem der RA aber noch keine Kenntnis hat, entsteht die 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3308 VV RVG und ist auch erstattungsfähig. Zwar kann der Antragsgegner bis zum Erlass des Vollstreckungsbescheides Widerspruch erheben, jedoch muss er für einen nach Ablauf von zwei Wochen gestellten Widerspruch die negative Kostenfolge tragen, wenn der Antrag auf Erlass des Vollstreckungsbescheides gestellt wurde und sich später die Unbegründetheit des Widerspruches herausstellt.
Aus dem Charakter der Gebühr als Verfahrensgebühr ergibt sich, dass diese für das gesamte Verfahren über den Vollstreckungsbescheid anfällt, mithin auch dann, wenn die Partei den Vollstreckungsbescheid beantragt hat und der RA nur mit dessen Zustellung nach § 699 Abs. 4 S. 1 Alt. 2 ZPO beauftragt wurde.
Rz. 364
Der Gegenstandswert bemisst sich wie bei der Beantragung des Mahnverfahrens nach dem Hauptsachestreitwert. Hat sich dieser durch eine Teilzahlung des Schuldners vermindert, so berechnet sich die Gebühr aus dem verminderten Gegenstandswert.
Beispiel
Der vorgerichtlich nicht tätige Rechtsdienstleister macht für den Gläubiger eine Forderung von 10.000 EUR im gerichtlichen Mahnverfahren geltend. Nach der Zustellung des Mahnbescheides zahlt der Schuldner 4.500 EUR. Im Übrigen erfolgt keine Reaktion. Der Rechtsdienstleister beantragt wegen der verbleibenden 5.500 EUR nun den Erlass des Vollstreckungsbescheides. Es ergibt sich folgende Berechnung:
1,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 3305 VV RVG aus 10.000,00 EUR |
614,00 EUR |
0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3308 VV RVG aus 5.500,00 EUR |
195,00 EUR |
zuzüglich Post- und Telekommunikationspauschale |
20,00 EUR |
Zwischensumme |
829,00 EUR |
zuzüglich 19 % Umsatzsteuer |
157,51 EUR |
Gesamt |
986,51 EUR |
Eine Erhöhung des Gegenstandswertes ist in diesem Verfahrensabschnitt nicht denkbar, weil durch den Vollstreckungsbescheid in der Hauptsache nur tituliert werden kann, was Gegenstand des Mahnbescheides war.
Auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3308 VV RVG ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Anmerkung die Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG nicht anzuwenden, wenn und soweit bereits die Verfahrensgebühr nach Nr. 3305 erhöht wurde. Die Erhöhung wird deshalb nur in Betracht kommen, wenn der RA erstmals mit der Beantragung des Vollstreckungsbescheides tätig wird. Anderseits erfolgt – mangels gesetzlicher Regelung hierzu – auch keine Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr auf die Gebühr nach Nr. 3308 VV RVG und diese wird auch nicht auf die Verfahrensgebühr eines nachfolgenden gerichtlichen Erkenntnisverfahrens angerechnet.