Florian Enzensberger, Maximilian Maar
Rz. 154
Bei einem Geschiedenentestament muss sich der Erblasser darüber im Klaren sein, dass der unerwünschte Personenkreis auch über einen Vermächtnisnehmer an seiner Erbschaft teilhaben kann. Mangels weiterer Anordnungen wird der Bedachte mit der Erfüllung des Vermächtnisses unbeschränkter Eigentümer der ihm vermachten Gegenstände. Infolgedessen kann er hierüber frei verfügen und seine Erben können die betreffenden Gegenstände uneingeschränkt behalten. Bei der Berechnung der Pflichtteilsansprüche der Verwandten des ursprünglich Bedachten fließen diese Gegenstände selbstverständlich in die Bewertung mit ein (§ 2311 BGB). Damit besteht die Gefahr, dass die ausgeschlossenen Personen auf diese Weise über die Erbfolge oder das Pflichtteilsrecht an der Erbschaft des Erblassers partizipieren. Diese ungewünschte Folge kann mittels eines Nachvermächtnisses gem. § 2191 BGB unterbunden werden.
Das Nachvermächtnis stellt immer ein aufschiebend bedingtes oder befristetes Vermächtnis dar. Der Erblasser bestimmt, dass der Vermächtnisgegenstand zunächst dem Vorvermächtnisnehmer zugewendet wird. Das Nachvermächtnis ist in § 2191 BGB geregelt und unterliegt folgenden Voraussetzungen:
▪ |
Nicht der Erbe ist beschwert, sondern der Vorvermächtnisnehmer. |
▪ |
Es handelt sich stets um ein Untervermächtnis, die §§ 2186 bis 2188 BGB sind anwendbar. |
▪ |
Der Vermächtnisgegenstand steht zunächst dem Vorvermächtnisnehmer zu und nach Eintritt des vom Erblasser bestimmten Zeitpunkts oder Ereignisses dem Nachvermächtnisnehmer. |
▪ |
Es besteht Identität zwischen dem Gegenstand des Nachvermächtnisses und dem des Vorvermächtnisses. |
Rz. 155
Sind die oben genannten Voraussetzungen gegeben, so findet die Vorschrift des § 2191 Abs. 2 BGB Anwendung. Fehlt eine ausdrückliche Regelung, so ist im Zweifel gleichzeitig von einem Ersatzvermächtnis auszugehen mit der Folge, dass der Nachvermächtnisnehmer bei Vorversterben des Vorvermächtnisnehmers mit dem Eintritt des Erbfalls direkt Ersatzvermächtnisnehmer wird (§ 2102 BGB).
Für den Fall, dass der Erblasser keinen Zeitpunkt für den Anfall des Vermächtnisses bestimmt hat, fällt das Nachvermächtnis mit dem Tode des Vorvermächtnisnehmers an (§ 2106 Abs. 1 BGB).
Hat der Erblasser einen kinderlosen Abkömmling zum Vermächtnisnehmer bestimmt und mit einem Nachvermächtnis beschwert, so ist das Nachvermächtnis im Zweifel nur für den Fall bestimmt, dass der Vorvermächtnisnehmer ohne Abkömmlinge verstirbt (§ 2107 BGB).
Dies sind die einzigen Unterschiede zu einem gewöhnlichen befristeten oder aufschiebend bedingten Vermächtnis nach § 2177 BGB.
Alle sonstigen Vorschriften der Nacherbfolge sind auf das Nachvermächtnis weder direkt noch entsprechend anwendbar. Daher findet grundsätzlich auch keine Surrogation nach § 2111 BGB statt. Jedoch wird der Nachvermächtnisnehmer durch die schuldrechtliche Surrogation nach § 285 BGB und Schadenersatzpflicht aus § 280 BGB geschützt. Zu dem steht dem Nachvermächtnisnehmer auch kein Auskunftsrecht gegen den Vorvermächtnisnehmer zu, wie es in § 2127 BGB zugunsten des Nacherben gegenüber dem Vorerben festgehalten ist.
Rz. 156
Mit dem Anfall des Nachvermächtnisses erwirbt der Nachvermächtnisnehmer einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den ersten Vermächtnisnehmer auf die vermachten Gegenstände (§§ 2177, 2174 BGB). Der Nachvermächtnisnehmer unterscheidet sich vom Ersatzvermächtnisnehmer also dadurch, dass er nicht in die Position des zunächst benannten Vermächtnisnehmers einrückt, sondern dem ersten Vermächtnisnehmer in seine Position nachfolgt.
Stets wird der Erblasser dafür Sorge tragen, dass der Anfall des Nachvermächtnisses mit dem Tod des damit Beschwerten eintritt. Hat der Erblasser keine klare diesbezügliche Anordnung getroffen, so wird dies auch gem. §§ 2191 Abs. 2, 2106 Abs. 1 BGB vermutet. Mit dem Tod des Vorvermächtnisnehmers müssen dessen Erben die vermachten Gegenstände an den Nachvermächtnisnehmer herausgeben.
Die dem Vermächtnis unterliegenden Gegenstände unterfallen nicht den Pflichtteilsansprüchen der Verwandten des Vorvermächtnisnehmers. Der ausgeschlossene Personenkreis kann also weder im Wege der Erbfolge noch über das Pflichtteilsrecht an der Erbschaft des Erblassers teilhaben.
Im Hinblick auf die Person des Nachvermächtnisnehmers kann auf die Ausführungen zur Person des Vorvermächtnisnehmers verwiesen werden (siehe Rdn 145 ff.). Es stehen dieselben Alternativen zur Disposition.
Rz. 157
Formulierungsbeispiel (Universalvermächtnis)
Ich, Herr (…), vermache im Wege des Vorvermächtnisses mein Grundstück in (…), (…)-Straße Nr. (…), eingetragen im Grundbuch von (…), Blatt (…), Flurnummer (…) meinem Sohn X, geboren am (…). Ich berufe meine Tochter aus zweiter Ehe Y (…), geboren am (…), zur Nachvermächtnisnehmerin. Das Nachvermächtnis fällt mit dem Tod meines Sohnes X an. Das Anwartschaftsrecht meiner Tochter Y ist weder vererblich, verpfändbar noch übertragbar. Sollte meine Tochter Y vor oder nach dem Erbfall wegfallen, bestimme ich, entgegen jeder anders lautenden g...