Rz. 79

In § 19 Abs. 1 S. 1 RVG ist eine neue Nr. 1b eingefügt worden. Damit soll klargestellt werden, dass die Streitverkündung nach § 72 ZPO mit zum Rechtszug gehört und keine gesonderte Angelegenheit auslöst.

 

Rz. 80

In seiner Begründung stellt der Gesetzgeber allerdings klar, dass es sich nur um eine Regelung zur Angelegenheit handelt. Die Streitverkündung eröffnet also für den Anwalt lediglich keine neue Gebührenangelegenheit, die zu gesonderten Gebühren führt. Dies besagt aber nicht, dass der Anwalt im Rahmen der Streitverkündung keine Vergütung erhält.

 

Rz. 81

So kann die Streitverkündung zu einer Erhöhung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit führen.

 

Rz. 82

 
Hinweis

Prozessvergleich bei Beteiligung von Streithelfern

Beteiligen sich am Prozessvergleich auch die Streithelfer, so bestimmt sich der Streitwert nicht nur nach dem Streitwert zwischen den Hauptparteien, vielmehr ist der Gegenstandswert des Vergleichs auf die Summe aller untereinander verglichenen Ansprüche festzusetzen.

OLG Koblenz, Beschl. v. 22.12.1997 – 14 W 771/97[8]

 

Rz. 83

 
Hinweis

Mehrwert eines Prozessvergleichs bei Mitregelung eines nicht rechtshängigen Gesamtschuldnerausgleichsanspruchs

Wird in einem Vergleich auch der nicht rechtshängige Gesamtschuldnerausgleich zwischen einer Streitpartei und einem Streithelfer mitgeregelt, so begründet dies einen Mehrwert des Vergleichs für diese Streitpartei und den Streithelfer.

OLG Stuttgart, Beschl. v. 15.12.2014 – 10 U 158/13[9]

 

Rz. 84

Abgesehen davon können aus dem Gegenstand der Streitverkündung im Rahmen der Prozessangelegenheit gesonderte Gebühren anfallen. So kann durch die Streitverkündung ein zusätzlicher nicht anhängiger Gegenstand in den Rechtsstreit eingeführt werden, der die 0,8-Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG auslöst oder bei Abschluss eines Vergleichs auch die 0,8-Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG. Auch kann die Terminsgebühr aus dem Wert der Streitverkündung entstehen, oder eine Einigungsgebühr, wenn eine Einigung auch über die der Streitverkündung zugrunde liegenden Ansprüche getroffen wird.

 

Rz. 85

 

Beispiel:

Der Kläger klagt gegen den Beklagten auf Schadensersatz in Höhe von 100.000,00 EUR. Der Beklagte ist der Auffassung, dass der S für diesen Schaden zur Hälfte mit verantwortlich sei. Daher verkündet er mit dieser Begründung dem S den Streit. Der S tritt dem Rechtsstreit auf Seiten des Beklagten bei und beantragt, die Klage abzuweisen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung schließen Parteien und der Streithelfer S folgenden Vergleich:

1. Der Beklagte zahlt an den Kläger 80.000,00 EUR.

2. Der Streithelfer verpflichtet sich, an den Beklagten einen Betrag in Höhe von 30.000,00 EUR zu zahlen.

3. Mit diesem Vergleich sind sämtliche wechselseitigen Ansprüche der Parteien erledigt sowie sämtliche wechselseitigen Ansprüche zwischen den Parteien und dem Streithelfer.

Der Streitwert des Verfahrens wird auf 100.000,00 EUR festgesetzt und der Mehrwert des Vergleichs (mit dem Streithelfer) auf 50.000,00 EUR.

Abzurechnen ist für den Anwalt des Beklagten wie folgt:

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 100.000,00 EUR) 2.151,50 EUR  
2. 0,8 Verfahrensgebühr, Nr. 3101, 3100 VV RVG (Wert: 50.000,00 EUR) 1.023,20 EUR  
  gem. § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als 1,3 aus 150.000,00 EUR   2.518,10 EUR
3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 150.000,00 EUR)   2.324,40 EUR
4. 1,0-Einigungsgebühr, Nr. 1003, 1000 VV RVG (Wert: 100.000,00 EUR) 1.655,00 EUR  
5. 1,5-Einigungsgebühr, Nr. 1000 VV RVG (Wert: 50.000,00 EUR) 1.918,50 EUR  
  gem. § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als 1,5 aus 150.000,00 EUR   2.905,50 EUR
6. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG   20,00 EUR
  Zwischensumme 7.768,40 EUR  
7. 19 % Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG   1.475,98 EUR
  Gesamt   9.243,98 EUR
 

Rz. 86

Die Rechtsprechung hat sich mit diesem Problem bisher schwer getan. Aufgrund der Gesetzesbegründung ist zu hoffen, dass sie das Problem erkennt und künftig richtig löst.

[8] AGS 2016, 417.
[9] AGS 2016, 417.

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