Dr. iur. Alexander Weinbeer
Rz. 84
Zur Beendigung eines Dauerschuldverhältnisses wie des Arbeitsvertrages bedarf es der Kündigung. Wird damit ein Anwalt beauftragt, so kann der Mandant erwarten, dass diese fehlerfrei ist und das gewünschte rechtliche Ergebnis mit sich bringt.
Rz. 85
Grds. sind bei der Bearbeitung arbeitsrechtlicher Mandate die einschlägigen Kündigungsfristen zu beachten, die grds. durch das Gesetz – etwa in § 622 BGB, §§ 169, 171 Abs. 3 SGB IX – vorgegeben werden, aber auch individuelle Ausprägungen in Tarif- und Arbeitsverträgen erfahren können. Vereinbaren die Parteien entgegen § 622 Abs. 6 BGB für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer eine längere Frist als für die Kündigung durch den Arbeitgeber, muss nach einer Entscheidung des BAG auch der Arbeitgeber bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses die für den Arbeitnehmer vereinbarte (längere) Kündigungsfrist analog § 89 Abs. 2 HGB einhalten.
Rz. 86
Diese Sorgfaltspflicht trifft Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanwälte gleichermaßen, weil die Nichtbeachtung der Fristen finanzielle Nachteile für beide Seiten des Arbeitsvertrags zur Folge haben kann.
Rz. 87
Beispiel
Es kommt immer wieder vor, dass Arbeitnehmer aus den unterschiedlichsten Gründen die für sie geltende Kündigungsfrist missachten. Sie machen sich schadensersatzpflichtig, wobei aber ein konkreter Schaden häufig nur schwierig darstellbar ist. Verbreitet sind daher auch Vertragsstrafe-Klauseln, die den Arbeitnehmer zur Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichten, wenn er das Arbeitsverhältnis vertragswidrig löst und seiner Hauptleistungspflicht aus dem Arbeitsverhältnis auf Dauer und endgültig unter Berufung auf einen Beendigungstatbestand nicht mehr nachkommt.
Rz. 88
Unterschieden werden muss zwischen außerordentlichen und ordentlichen Kündigungen. Je nachdem welche Kündigung ausgesprochen werden soll, ergeben sich verschiedene Voraussetzungen. Durch die verschiedenen Voraussetzungen ist eine Umdeutung einer außerordentlichen in eine ordentliche Kündigung nicht ohne Weiteres möglich und kann scheitern. Daher muss der Anwalt vorsorglich, um einer Haftungsfalle zu entgehen, zusätzlich zur Erklärung der außerordentlichen Kündigung eine ordentliche Kündigung erklären. Versäumt ein Anwalt seinen Mandanten über die erheblichen Risiken einer fristlosen Kündigung zu belehren und verhindert er dadurch, dass der Arbeitnehmer weiter beschäftigt wird, so hat er den dem Mandanten dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen.
Rz. 89
Eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzt regelmäßig eine Abmahnung voraus. Liegt eine ordnungsgemäße Abmahnung vor und verletzt der Arbeitnehmer erneut seine vertraglichen Pflichten, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch künftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen. Dabei ist es für eine negative Prognose ausreichend, wenn die jeweiligen Pflichtverletzungen aus demselben Bereich stammen und somit Abmahnung und Kündigungsgrund in einem inneren Zusammenhang stehen. Die Kündigung des Arbeitgebers aufgrund verhaltensbedingter Leistungsstörungen des Arbeitsverhältnisses kann nicht auf Abmahnungen wegen anderer Vertragsverletzungen gestützt werden. Hat die entsprechende Kündigungsschutzklage (siehe Rdn 24 ff.) aus Sicht des Regressrichters deshalb Aussicht auf Erfolg und versäumt der Anwalt schuldhaft die Berufungsbegründungsfrist, so ist sein Fehlverhalten schadensursächlich.
Rz. 90
Bleibt im Falle eines Betriebsübergangs die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den bisherigen Arbeitgeber gem. § 613a Abs. 4 BGB unwirksam und lehnt der Arbeitnehmer es ab, mit dem neuen Inhaber auf dessen Ansinnen zu schlechteren Bedingungen unter Aufgabe der Rechte aus dem mit dem bisherigen Arbeitgeber bestehenden Arbeitsverhältnis ein neues Arbeitsverhältnis zu begründen, meldet er sich vielmehr arbeitslos, so ist nach rund zwei Jahren der Anspruch auf Fortentrichtung des Lohns und auf Fortsetzung der Beschäftigung aus dem auf den neuen Inhaber übergegangenen Arbeitsverhältnis verwirkt.
Rz. 91
Wollen Arbeitnehmer oder Arbeitgeber außerordentlich und fristlos kündigen, müssen sie zudem auf die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB hingewiesen werden. Die Frist beginnt mit der Kenntniserlangung der für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen. Wird der Anwalt erst im Prozess über die außerordentliche Kündigung eingeschaltet, sollte er schon von sich aus prüfen, ob sein Mandant diese Frist eingehalten hat. Bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses müssen die besonderen arbeitsrechtlichen Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrates durch Anhörung oder Zustimmung gem. §§ 102, 103 BetrVG, § 15 KSchG bzw. der Betriebs- oder Personalvertretung nach § 79 BPersVG bzw. ihrer Entsprechung in den verschiedenen LPersVG und Sonderbestimmungen für Mitarbeitervertretungen in Tendenzbetrieben (§ 30 MAVO, § 42 MVG) beachtet werden.
Rz. 92
Gerade Bestimmungen wie die des § 79 BPersVG, die entsprechend § 102 BetrVG auszulegen sind, werden häufig nicht ...