Rz. 210
Bei Straßenverkehrsunfällen, an denen ein Tier mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist, kommt wegen § 833 BGB grundsätzlich eine Haftung des Tierhalters in Betracht.
Rz. 211
Tierhalter ist derjenige, dem die Bestimmungsmacht über das Tier zusteht und der aus eigenem Interesse für die Kosten des Tieres aufkommt und das wirtschaftliche Risiko seines Verlustes trägt (BGH NJW-RR 1988, 656).
Rz. 212
Beachte
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§ 833 S. 1 BGB normiert eine Gefährdungshaftung für alle Tierhalter mit der Folge, dass auch ein Deliktsunfähiger nach § 833 S. 1 BGB haften kann. |
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§ 833 S. 2 BGB normiert dagegen eine Haftung des Tierhalters für vermutetes Verschulden bei Haustieren, die dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt sind, mit der Möglichkeit eines Entlastungsbeweises, was zur Folge hat, dass ein Deliktsunfähiger allenfalls nach § 829 BGB zivilrechtlich haftet. |
Rz. 213
Entscheidend ist, dass sich für eine Haftung aus § 833 BGB die Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens und die dadurch hervorgerufene Gefährdung für Leben, Gesundheit oder Eigentum Dritter (spezifische Tiergefahr) verwirklicht haben muss (Palandt-Sprau, § 833 BGB Rn 1).
Rz. 214
Dies ist beispielsweise der Fall, wenn eine Radfahrerin bei dem Versuch, einem plötzlich den Radweg versperrenden Pferd auszuweichen, zu Fall kommt, denn auch eine bloß psychische Einwirkung des Tieres kann zur Haftung seines Halters nach § 833 BGB führen (OLG Düsseldorf NJW-RR 1992, 475). Stürzt eine Person aus Angst vor einem auf sie zulaufenden großen Hund, so ist der Hundehalter für den entstandenen Schaden haftbar (OLG Nürnberg VersR 1991, 741).
Rz. 215
Besondere verkehrsrechtliche Bedeutung haben die Fälle, in denen Tiere aus einer umzäunten Weide ausbrechen und dabei einen Verkehrsunfall verursachen. Hier kommt eine Haftung des Tierhalters in Betracht, wenn er den Weidezaun nicht regelmäßig auf schadhafte Stellen untersucht hat (OLG Hamm VersR 1982, 1009).
Rz. 216
Im Übrigen entscheiden die Umstände des Einzelfalls, inwieweit eine Haftung des Tierhalters zu bejahen ist. Maßgebend sind die Lage der Weide und die Größe der Entfernung zu einer befahrenen Straße sowie die Frage, ob weitere natürliche oder sonstige Hindernisse es eigentlich hätten verhindern müssen, dass die Tiere auf die Straße gelangen.
Rz. 217
Ein Elektrozaun, der ordnungsgemäß errichtet ist und funktioniert, stellt eine ausreichende Maßnahme zur Erfüllung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt seitens des Tierhalters dar (BGH VersR 1976, 1086; OLG Frankfurt zfs 1986, 162; OLG Karlsruhe VersR 1976, 346).