Dr. Detlef Grimm, Dr. Stefan Freh
Rz. 323
Denkbar ist, die Ziele einseitig durch den Arbeitgeber vorzugeben oder diese durch die Arbeitsvertragsparteien gemeinsam vereinbaren zu lassen. Wird die Vorgabe der Ziele einseitig dem Arbeitgeber vorbehalten (wie hier in der Alternative vorgesehen), hat dieser bei der Festlegung die Interessen des Mitarbeiters angemessen zu berücksichtigen. Denn Zielvorgaben unterliegen einer Billigkeitskontrolle. Die Darlegungslast für die Billigkeit trägt der Arbeitgeber. Bei den Zielvereinbarungen hingegen findet lediglich eine Transparenzkontrolle statt.
Rz. 324
Aus praktischer Sicht liegt der Vorteil der Betriebsvereinbarung zum einen in der größeren "Richtigkeitschance" wegen der weniger intensiven rechtlichen Kontrolle. Allerdings müssen sich Betriebsvereinbarungen an § 75 BetrVG messen lassen, sodass letztlich ähnliche Maßstäbe wie bei einer AGB-Kontrolle einzelvertraglicher Abreden eingreifen können. Zum anderen dürfte von allgemeinen Zielparametern, die im Rahmen einer Betriebsvereinbarung unter Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen durch den Betriebsrat festgelegt wurden, ähnlich wie von einvernehmlich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer festgelegten Zielen, ein stärkerer Motivationseffekt ausgehen als von einseitig durch den Arbeitgeber festgelegten/vorgegebenen Zielen. Außerdem können Betriebsvereinbarungen aufgrund der Kündbarkeit nach § 77 Abs. 4 BetrVG eine größere Flexibilität bieten.
Rz. 325
Versäumt es der Arbeitgeber, eine Zielvorgabe für die jeweilige Bezugsperiode festzulegen bzw. verschuldet es der Arbeitgeber, dass es zu keiner oder einer unwirksamen Einigung über die zu erreichenden Ziele im Zuge einer Zielvereinbarung kommt, steht dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Schadensersatz zu, §§ 280 Abs. 1, 3 i.V.m. §§ 283 S. 1, 252 BGB. Dabei ist zu beachten, dass die Rechtsprechung auch bei der im Muster vorgesehenen Regelung, dass die Ziele "gemeinsam mit dem Mitarbeiter" festzulegen sind, die alleinige Initiativpflicht beim Arbeitgeber sieht. Dem Betriebsrat steht hierzu kein Durchführungsanspruch gegen den Arbeitgeber zu, sein Leistungsbestimmungsrecht auszuüben. Vielmehr kann nur der Arbeitnehmer selbst die Leistungsbestimmung geltend machen und überprüfen lassen.
Zur Berechnung des entgangenen Gewinns als Schaden zieht das BAG § 252 BGB als Beweiserleichterung i.S.d. § 287 ZPO heran. Bei der Schätzung des Schadens ist daher grundsätzlich davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer die vereinbarten Ziele erreicht hätte, wenn nicht besondere Umstände diese Annahme ausschließen. Ein etwaiges Mitverschulden des Arbeitnehmers ist zu berücksichtigen, falls diesen auch ein Verschulden am Nichtzustandekommen der Zielvereinbarung trifft. Nimmt z.B. der Arbeitnehmer ein Angebot des Arbeitgebers zur Fortführung einer abgelaufenen Zielvereinbarung nicht an, kann das Verschulden des Arbeitgebers zum Nichtzustandekommen der Zielvereinbarung ausgeschlossen sein.
Rz. 326
Das Muster sieht ein zweistufiges Zielfestlegungsverfahren vor. Damit soll der Gefahr begegnet werden, dass im Falle des Scheiterns der Zielvereinbarungsgespräche der Arbeitnehmer aus Schadensersatzgesichtspunkten Anspruch auf erhebliche Teile des Bonus hat, ohne die entsprechende Leistung erbracht zu haben. Scheitert die Zielvereinbarung, kann der Arbeitgeber auf der zweiten Stufe einseitig Ziele vorgeben – freilich muss die Zielvorgabe unter angemessener Berücksichtigung der Interessen des Mitarbeiters erfolgen und der Billigkeit entsprechen. Dies erhöht die Chance, dass ein Schadensersatzanspruch vermieden werden kann. Zudem besteht so die Möglichkeit, eine Steuerungswirkung zu erreichen. Um die Fehleranfälligkeit zu vermeiden, ist vorgesehen, dass die Festlegung sich an den Zielen des Vorjahres orientieren soll. Ob dies in jedem Fall passend ist, gilt es für das Unternehmen und die konkreten Zielüberlegungen zu überprüfen.
Wichtig ist, dass die Vereinbarung konkret vorsieht, wann eine Festlegung durch den Arbeitgeber erfolgen kann und dieser zuvor eine einvernehmliche Zielvereinbarung mit dem Mitarbeiter abzuschließen versucht hat.