Dr. Detlef Grimm, Dr. Stefan Freh
Rz. 858
Verhaltensbedingte Kündigungen kommen als ordentliche und außerordentliche Kündigungen in Betracht. Bei einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung muss der Arbeitgeber dem BR alles mitteilen, was aus seiner Sicht den wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses begründet. Der Arbeitgeber muss auch darüber informieren, zu welchem Zeitpunkt der zur Kündigung Berechtigte von diesen Tatsachen Kenntnis erlangt hat, um dem BR eine Stellungnahme zur Frage der Wahrung der zweiwöchigen Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB zu ermöglichen. Ist beabsichtigt, mit der außerordentlichen Kündigung hilfsweise auch eine ordentliche Kündigung zu verbinden, muss der BR auch hiervon unterrichtet werden. Wegen der Kündigungsgründe kann dabei auf die Ausführungen zur außerordentlichen Kündigung verwiesen werden, jedoch ist die Kündigungsfrist zu ergänzen.
Die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB wird durch die Verpflichtung des Arbeitgebers, den BR vor Ausspruch der Kündigung anzuhören, weder verlängert noch gehemmt.
Rz. 859
Bei verhaltensbedingten Kündigungen ist zwischen der Tatkündigung und der Verdachtskündigung zu unterscheiden: Der Arbeitgeber muss im Rahmen der BR-Anhörung klarstellen, ob er die verhaltensbedingte Kündigung auf eine nachgewiesene oder nachweisbare Verfehlung oder Vertragspflichtverletzung des Arbeitnehmers stützen will (Tatkündigung), oder ob er den dringenden Verdacht einer strafbaren Handlung oder sonstigen Verfehlung des Arbeitnehmers, die das notwendige Vertrauensverhältnis für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zerstört hat, zur Grundlage seiner Kündigungsabsicht macht (Verdachtskündigung). Der Arbeitgeber kann die Kündigung allerdings auch zumindest hilfsweise auf einen Verdacht stützen. Im Kündigungsschutzprozess kann sich der Arbeitgeber zudem darauf berufen, dass die den Verdacht begründenden (und dem BR mitgeteilten) Pflichtwidrigkeiten auch eine Tatkündigung rechtfertigen. Informiert der Arbeitgeber den BR hingegen nur über eine aus seiner Sicht erfolgte Vertragspflichtverletzung des Arbeitnehmers, kann er sich im späteren Kündigungsschutzprozess zur Begründung der Kündigung nicht mehr auf den Tatverdacht stützen, wenn ihm die Verdachtsmomente bei Ausspruch der Kündigung bekannt waren; dies wäre ein unzulässiges Nachschieben von Kündigungsgründen, denn der Verdacht einer strafbaren Handlung stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar, der im Tatvorwurf nicht enthalten ist. Lagen die Verdachtsgründe zwar bereits objektiv bei Ausspruch der Kündigung vor, waren sie dem Arbeitgeber jedoch nicht bekannt, kann er– nach vorheriger Anhörung des BR – diese Gründe noch in den Kündigungsschutzprozess einführen; weil die Kündigung bereits ausgesprochen ist, bedarf es in diesem besonderen Fall auch keiner gesonderten Anhörung des Arbeitnehmers zu den Verdachtsmomenten.
Rz. 860
Im Gegensatz zur Tatkündigung ist bei der Verdachtskündigung die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung. Außerhalb der Verdachtskündigung gibt es nach Auffassung des BAG jedoch keinen allgemeinen Rechtssatz des Inhalts, dass eine außerordentliche Kündigung stets ausgeschlossen ist, wenn der Arbeitnehmer zu den Kündigungsgründen nicht zuvor angehört wurde. Ob eine solche aber im eigenen Interesse des Arbeitgebers geboten ist, richtet sich nach den besonderen Umständen des Einzelfalls. Auch bezüglich der Tatkündigung kann eine vorherige Anhörung des Arbeitnehmers erforderlich sein; bei der Verdachtskündigung ist sie zwingend erforderlich, da der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen haben muss, bevor er zum Mittel der Verdachtskündigung greifen darf.
Rz. 861
Der Verdacht gegen den Arbeitnehmer muss im Rahmen der Anhörung so konkret mitgeteilt werden, dass dieser sich substantiiert einlassen kann. Dabei sind die Einzelheiten allerdings umstritten: Das beginnt bereits mit der Frage, welche Anforderungen an den Inhalt einer Einladung zum Anhörungsgespräch zu stellen sind, ob also dem Arbeitnehmer bereits in Vorbereitung der Anhörung konkrete Verdachtsmomente bekannt zu geben sind, was ggf. eine Verdunkelungsgefahr (also die Gefahr einer Vernichtung von Beweismitteln oder Beeinflussung von Zeugen durch den Arbeitnehmer) birgt. Demgegenüber wird in der Rechtsprechung zum Teil verlangt, die Einladung zur Anhörung vor Ausspruch einer Verdachtskündigung müsse den Gegenstand des Gesprächs beinhalten, damit der Arbeitnehmer Gelegenheit hat, sich auf das Gespräch vorzubereiten. Ebenfalls umstritten ist, ob dem Arbeitnehmer während der Anhörung neben dem konkreten Sachverhalt auch der sich hieraus ergebende Verdacht mitzuteilen ist, um ihm die Bedeutung der von ihm erwarteten Stellungnahme deutlich zu machen. Schließlich wird auch die Frage, ob dem Arbeitnehmer ausdrücklich die Möglichkeit d...