Rolf Klutinius, Jan Therstappen
Rz. 52
§ 38 VVG regelt die Folgen der Nichtzahlung bzw. der verspäteten Zahlung einer Folgeprämie. Wenn die Folgeprämie nicht rechtzeitig gezahlt wird, besteht der Versicherungsschutz zunächst fort. Die nicht fristgerechte Zahlung der Folgeprämie hat erst nach einer vergeblichen qualifizierten Mahnung nachteilige Folgen für den Versicherungsnehmer. In der Mahnung muss der Prämienrückstand zutreffend auf den Cent genau angegeben werden. § 38 Abs. 1 S. 1 VVG verlangt die Bestimmung einer Zahlungsfrist von mindestens zwei Wochen. Dabei ist der Versicherungsnehmer nach § 38 Abs. 1 S. 2 und 3 VVG über die Rechtsfolgen zu belehren, die mit dem Ablauf der Frist verbunden sind.
Hinweis
Weist die Belehrung Mängel auf, so behält der Versicherungsnehmer trotz etwa verspäteter Zahlung und Eintritt des Versicherungsfalls seinen Versicherungsschutz.
Rz. 53
Die qualifizierte Mahnung muss eine unmissverständliche und umfassende Belehrung über die dem Versicherungsnehmer drohenden Säumnisfolgen und die rechtlichen Möglichkeiten enthalten, wie der Versicherungsnehmer den Säumnisfolgen begegnen kann, um sich den Versicherungsschutz zu erhalten. Die gesonderte Mitteilung muss sich vom übrigen Text drucktechnisch abheben, so dass sie vom Versicherungsnehmer nicht übersehen werden kann. Aus der Belehrung muss hervorgehen, bis wann welcher Betrag zu zahlen ist. Der Begriff "rechtzeitige Zahlung" reicht nicht aus. Die Belehrung muss deshalb insbesondere darauf hinweisen, dass sich der Versicherungsnehmer auch nach Ablauf der Frist bis zum Eintritt des Versicherungsfalls durch nachträgliche Zahlung den Versicherungsschutz noch sichern kann und dass der Versicherungsnehmer nach Ablauf der Frist durch Zahlung dem Versicherer auch das Recht zur Kündigung nehmen kann, solange diese nicht ausgesprochen ist. Bei zusammengefassten Verträgen muss der Hinweis enthalten sein, dass durch vollständige Teilzahlung auf nur einen dieser Verträge die Leistungsfreiheit wenigstens für diesen Vertrag abgewendet werden kann. Auch darf der Hinweis nicht fehlen, dass der Versicherungsnehmer die Wirkungen einer ausgesprochenen Kündigung wieder beseitigen kann, sofern er die Zahlung vor Eintritt des Versicherungsfalls und innerhalb eines Monats nach Kündigung oder nach Ablauf einer mit der Kündigung verbundenen Zahlungsfrist nachholt.
Rz. 54
Prämien für zwei Versicherungsarten können nicht wirksam einheitlich angemahnt werden. Das gilt auch für KH- und Kaskoversicherung.
Rz. 55
Die qualifizierte Mahnung muss zugehen. Für den Zugang – auch für den Zeitpunkt des Zugangs – trägt der Versicherer die volle Beweislast. Die Grundsätze des Anscheinsbeweises sind insoweit nicht anwendbar. Allerdings kann der Zugang durch Indizien nachgewiesen werden. Der Nachweis des Zugangs des Mahnschreibens ist daher zu bejahen, wenn die Versendung nachgewiesen ist, der Versicherungsnehmer drei weitere Schreiben der Versicherung erhalten hat und die Prämienzahlung zwei Tage nach Schadeneintritt erfolgte. Gleiches gilt wenn der Versicherungsnehmer in der Folgekorrespondenz auf den Inhalt der Mahnung Bezug nimmt oder auf einem Überweisungsträger für die verspätet gezahlte Prämie Angaben macht, die ihm nur aus dem qualifizierten Mahnschreiben bekannt sein können.
Der Versicherungsnehmer kann den Zugangszeitpunkt mit Nichtwissen bestreiten (trotz § 138 Abs. 4 ZPO), wenn er plausibel darlegt, dass er sich an das Datum des Zugangs nicht mehr erinnern kann.
Rz. 56
Tritt der Versicherungsfall nach Ablauf der Zahlungsfrist ein und ist der Versicherungsnehmer zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalls mit der Zahlung der Prämie in Verzug, ist der Versicherer nach § 38 Abs. 2 VVG leistungsfrei.
Tritt der Versicherungsfall nach qualifizierter Mahnung, jedoch vor Ablauf der gesetzten Zahlungsfrist ein, ist der Versicherer auch bei Zahlung nach Ablauf der Frist nicht leistungsfrei.
Rz. 57
Weiter kann der Versicherer nach Ablauf der Zahlungsfrist, wenn der Versicherungsnehmer mit der Zahlung in Verzug ist, das Versicherungsverhältnis nach § 38 Abs. 3 S. 1 VVG ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Der Versicherungsnehmer kann nach § 38 Abs. 3 S. 3 VVG die Kündigung aber auch dann durch Zahlung verhindern, wenn der Versicherungsfall bereits eingetreten ist. Nach dem eindeutigen Wortlaut des letzten Halbsatzes der Norm ändert dies nichts an der dann gegebenenfalls bestehenden Leistungsfreiheit.
Rz. 58
Eine qualifizierte Mahnung setzt nicht voraus, dass der Versicherungsnehmer sich in diesem Zeitpunkt bereits in Verzug befindet. Verzug (Verschulden) muss erst zum Zeitpunkt der Kündigung bei Ablauf der Zahlungsfrist vorliegen.
Mangelndes Verschulden an der Nichtzahlung einer Folgeprämie hat der Versicherungsnehmer nachzuweisen. An diesen Nachweis sind strenge Anforderungen zu stellen.
Rz. 59
Vor Eintritt des Versicherungsfalls kann der Versicherungsnehmer die Wirkung der Kündigung nachträglich beseitigen, wenn er innerhalb eines Monats nach...