Rz. 399
Der Rechtsberater ist verpflichtet, den Mandanten über die von ihm veranlassten Maßnahmen und Tätigkeiten zeitnah zu unterrichten und Abdrucke seine Schriftsätze zu übersenden. Dasselbe gilt für die vom Anspruchsgegner veranlassten Maßnahmen und Tätigkeiten sowie die von diesem übersandten Schriftsätze oder sonstigen Äußerungen. Die seitens eines Anwalts unterlassene Information eines Mandanten, zumal wenn dieser sie in seinem Auftragsschreiben ausdrücklich erbeten hatte, stellt eine Pflichtverletzung dar, die mit dem Hinweis auf ein "Versehen" nicht entschuldigt werden kann. Die Unterrichtung ist ggf. mit Erläuterungen zu versehen, etwa zu einzuhaltenden Fristen, vorzulegenden Unterlagen oder zu notwendigen Sachverhaltsaufklärungen. Die Unterrichtung muss selbstverständlich wahrheitsgemäß erfolgen und darf den Mandanten nicht über das in seinem Namen Veranlasste täuschen oder in die Irre führen.
Nach § 11 Abs. 2 BORA sind Anfragen des Mandanten unverzüglich zu beantworten. Die Anfrage eines Mandanten wird unverzüglich beantwortet, wenn die Antwort ohne schuldhaftes Zögern erfolgt (§ 11 Abs. 2 BORA i.V.m. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB), d.h. nach Ablauf einer nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessenden Prüfungs- und Überlegungsfrist.
Rz. 400
Neben die Pflicht aus §§ 667, 675 Abs. 1, 611 bzw. 631 BGB zur Herausgabe der Handakten tritt die Pflicht des Rechtsanwalts, dem Mandanten Einsichtnahme in die Handakten zu gestatten. Dies folgt aus §§ 666, 675 Abs. 1, 611 bzw. 631 BGB, auf Verlangen über den Stand der Geschäfte Auskunft zu erteilen und nach der Ausführung des Auftrags Rechenschaft abzulegen (vgl. auch §§ 260, 261 BGB).
Der Begriff "Rechenschaft" wird in einem weiteren Sinne als in § 259 BGB verstanden. Er bezieht sich insb. nicht nur auf eine mit Einnahmen und Ausgaben verbundene Verwaltung, sondern umfasst allgemein die Pflicht des Beauftragten, in verkehrsüblicher Weise die wesentlichen Einzelheiten seines Handelns zur Auftragsausführung darzulegen und dem Auftraggeber die notwendige Übersicht über das besorgte Geschäft zu verschaffen.
Rz. 401
Dabei sind dem Auftraggeber auch Belege, soweit üblich und vorhanden, vorzulegen. Diese Vorlagepflicht des Rechtsanwalts ist die Grundlage für den Anspruch des Auftraggebers auf Einsicht in die Handakten. Dies gilt nicht nur für solche Unterlagen, die dem Auftraggeber zu belassen sind, also bereits unter die Herausgabepflicht des § 667 BGB fallen; vielmehr kann sich die Vorlage auch auf diejenigen Bestandteile der Handakten des Rechtsanwalts beziehen, die nicht herausgegeben zu werden brauchen, sondern beim Rechtsanwalt verbleiben können. Eine Ausnahme wird lediglich für diejenigen Unterlagen gemacht, die persönliche oder vertrauliche Eindrücke des Rechtsanwalts selbst betreffen. Die Auskunfts- und Rechenschaftspflicht des Rechtsanwalts kann ferner auch dann bestehen, wenn der Herausgabeanspruch des Auftraggebers (vgl. Rdn 393 f.) bereits durch Erfüllung erloschen ist; dies gilt insb. hinsichtlich solcher Unterlagen, die der Mandant zwar bereits erhalten hat, die aber bei ihm nachträglich verloren gegangen sind. Beschränkungen des Auskunftsanspruchs können sich aus den Umständen des Einzelfalls, insb. nach Treu und Glauben (§ 242 BGB), ergeben.
Rz. 402
Ein Einsichtnahmerecht des Mandanten nach § 810 BGB tritt regelmäßig hinter dessen Ansprüche aus §§ 666, 675 Abs. 1, 611 bzw. 631 BGB zurück. Der BGH hat hervorgehoben, dass ein "rechtliches Interesse" i.S.d. § 810 BGB nicht besteht, wenn die Einsichtnahme lediglich dazu dienen soll, Unterlagen für die Rechtsverfolgung des Auftraggebers zu beschaffen und so den Rechtsanwalt auszuforschen. Daher greift § 810 BGB nicht ein, wenn jemand, der für einen Schadensersatzanspruch gegen den Urkundenbesitzer an sich darlegungs- und beweispflichtig ist, sich durch die Urkundeneinsicht zusätzliche Kenntnisse verschaffen und erst auf diese Weise Anhaltspunkte für ein pflichtwidriges Verhalten des Rechtsanwalts ermitteln will. Diese Einschränkung wird i.R.d. § 666 BGB nicht gemacht.
Rz. 403
Die Vorlage der Handakten kann vom Gericht gem. § 142 ZPO angeordnet werden, wenn der Rechtsberater (nicht beweisbelastete) Partei oder Drittbeteiligter ist. Ein Verweigerungsrecht besteht jedoch gem. § 142 Abs. 2 ZPO, wenn die Vorlage nicht zumutbar ist oder der Rechtsberater ein Zeugnisverweigerungsrecht hat.