Dr. iur. Olaf Lampke, Manfred Ehlers
Rz. 1847
Während der Dauer des Anstellungsverhältnisses hat sich analog § 60 Abs. 1 HGB jeder Arbeitnehmer (Handlungsgehilfe) eines Wettbewerbes zulasten seines Arbeitgebers grds. zu enthalten, auch wenn keine entsprechenden individual- oder kollektivvertraglichen Regelungen bestehen (vgl. BAG v. 25.11.2021 – 8 AZR 226/20, juris Rn 38; BAG v. 30.5.2018 – 10 AZR 789/16, juris Rn 33; BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 809/11; BAG v. 24.3.2010, NZA 2010, 693 = DB 2010, 1240; BAG v. 26.9.2007, NZA 2007, 1436 = DB 2007, 2656; Schaub/Linck, ArbR-Hdb § 53 Rn 48). Im Handelszweig seines Arbeitgebers darf der Arbeitnehmer weder ein Handelsgewerbe betreiben, noch Geschäfte für eigene oder fremde Rechnung tätigen (vgl. BAG v. 25.11.2021 – 8 AZR 226/20, juris Rn 37; BAG v. 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, juris Rn 38; Schaub/Vogelsang, ArbR-Hdb § 54 Rn 3). Das erstgenannte Verbot ist verfassungskonform unter dem Blickwinkel der Berufsfreiheit in Art. 12 Abs. 1 GG so auszulegen, dass dem Arbeitnehmer nicht jedes Handelsgewerbe, sondern lediglich eines derselben Art wie das des Arbeitgebers untersagt ist (vgl. Reufels, in: GmbH-Handbuch, Teil IV Rn 176.2). Verboten sind daher nach § 60 Abs. 1 Var. 1 HGB solche Betätigungen, mit denen der Arbeitnehmer abstrakt in Wettbewerb zu dem Arbeitgeber treten kann, während es bei § 60 Abs. 1 Var. 2 HGB auf das tatsächliche Geschäftsgebaren ankommt. Dem Arbeitnehmer ist nicht nur eine Konkurrenztätigkeit im eigenen Namen und Interesse untersagt, ihm ist ebenso wenig gestattet, einen Wettbewerber des Arbeitgebers zu unterstützen (vgl. LAG Rheinland-Pfalz v.26.2.2016 – 1 Sa 164/15, juris Rn 105).
Rz. 1848
Die Vorschriften der §§ 60, 61 HGB gelten während der gesamten rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses (vgl. BAG v. 25.11.2021 – 8 AZR 226/20, juris Rn 38; BAG v. 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, juris Rn 38; BAG v. 30.5.2018 – 10 AZR 789/16, juris Rn 33). Die Bindung besteht daher nicht nur während der tatsächlichen Dauer des Anstellungsverhältnisses. Auch eine Freistellung des Arbeitnehmers hebt das Wettbewerbsverbot nicht auf (vgl. LAG Hamm v. 13.5.2020 – 6 Sa 1940/19, juris Rn 73). Die Pflicht zur Förderung der Ziele und Zwecke seines Arbeitgebers gebietet ihm, das Betreiben jedweder Konkurrenztätigkeit zu unterlassen, soweit der Arbeitgeber mit der wettbewerbsrechtlichen Tätigkeit nicht ausdrücklich einverstanden ist (vgl. BAG v. 30.5.2018 – 10 AZR 780/16, juris Rn 36; BAG v. 24.3.2010, NZA 2010, 693 = DB 2010, 1240). Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitsvertrag keine ausdrückliche Regelung enthält (vgl. BAG v. 20.9.2006, NZA 2007, 977 = DB 2007, 346; Schaub/Linck, ArbR-Hdb § 53 Rn 48).
Rz. 1849
Hinweis
1. |
Auch während einer Freistellung ist es dem Arbeitnehmer gem. § 60 HGB untersagt, jedwede Konkurrenztätigkeit zu seinem Arbeitgeber auszuüben. |
2. |
Eine Freistellung des Arbeitnehmers hebt das Wettbewerbsverbot nicht auf (vgl. LAG Hamm v. 13.5.2020 – 6 Sa 1940/19, juris Rn 73 unter Bezug auf BAG v. 6.9.2006 – 5 AZR 703/05 m.w.N.; s. ferner zur Freistellung bei einem Geschäftsführer oben § 16 Rdn 323 ff., s. zur Freistellung im Rahmen eines Aufhebungsvertrages unten § 27 Rdn 109 ff.). |
3. |
Dies gilt ohne besondere Vereinbarung und folgt als Nebenpflicht nach § 241 Abs. 2 BGB aus dem Arbeitsverhältnis (vgl. BAG v. 30.5.2018 – 10 AZR 780/16, juris Rn 33; vgl. ferner Reufels, in: GmbH-Handbuch, Teil IV Rn 176.1; vgl. ferner Diller, in: Henssler/Willemsen/Kalb, § 60 Rn 1 Rechtsprechungswandel zur Herleitung des Wettbewerbsverbots nunmehr aus § 241 Abs. 2 BGB Treuepflicht). |
Rz. 1850
Der Umfang des Wettbewerbsverbots nach § 60 HGB ist nicht darauf beschränkt, dass sich ein Arbeitnehmer selbstständig macht oder ein Unternehmen leitet und Geschäfte abschließt. Vielmehr soll der Arbeitgeber durch das Wettbewerbsverbot auch davor geschützt werden, dass ein Arbeitnehmer seine Kenntnisse und Fähigkeiten sowie etwaige Kundenkontakte zugunsten eines Wettbewerbers einsetzt und diesen dadurch fördert. Bereits hierdurch werden die Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigt. Maßgebender Anknüpfungspunkt ist eine Konkurrenzsituation zwischen dem Arbeitgeber und dem Dritten, für den der Arbeitnehmer Dienste oder Leistungen erbringt (vgl. BAG v. 30.5.2018 – 2 AZR 780/16, juris Rn 37; vgl. ferner LAG Rheinland-Pfalz v. 26.2.2016 – 1 Sa 164/15, juris Rn 105). Etwas anderes kann gelten, wenn bloße Hilfstätigkeiten ohne Wettbewerbsbezug erbracht werden (vgl. BAG v. 30.5.2018 – 10 AZR 780/16, juris Rn 37; BAG v. 24.3.2010 – 10 AZR 66/09, juris Rn 17).
Rz. 1851
Noch nicht abschließend geklärt ist, ob das Wettbewerbsverbot im gekündigten Arbeitsverhältnis in jeder Hinsicht gleich weit reicht wie in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis. Denn ein Arbeitnehmer darf, wenn ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach § 74 HGB nicht vereinbart ist, schon vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Zeit nach seinem Ausscheiden die Gründung eines eigenen Unternehmens oder den Wechsel zu einem Konkurrenzunternehmen vorbereiten (vgl. zur Ab...