Rz. 50
Für eine Kenntnis genügt dabei ein solches Wissen um die Grundzüge des Sachverhalts und daraus möglicherweise erwachsende Ansprüche sowie um den Anspruchsgegner, dass dem Berechtigten die Erhebung zumindest einer Feststellungsklage ebenso möglich wie auch – mit Blick auf die bei verständiger Würdigung bestehenden Erfolgsaussichten – zumutbar ist. Ein bloßer Verdacht oder Vermutungen genügen jedoch nicht. Die für den Beginn der Verjährung erforderliche Kenntnis des Geschädigten kann fehlen, wenn dieser infolge einer durch die Verletzung erlittenen retrograden Amnesie keine Erinnerung an das Geschehen hat.
Rz. 51
In Konsequenz des Grundsatzes der Schadenseinheit ist es für den Beginn der Verjährungsfrist nicht erforderlich, dass der Geschädigte schon den genauen Umfang des Schadens und die Einzelumstände des Schadensverlaufs kennt. Erfasst sind vielmehr grundsätzlich alle aus dem Schadensereignis erwachsenen Folgen. Dies gilt anerkanntermaßen jedoch nicht für unvorhersehbare Schäden bzw. Spätfolgen. Aus Letzteren erwachsende Ansprüche verjähren gesondert, führen aber nicht etwa auch dazu, dass die Verjährung der zuvor bereits fällig gewordenen Ansprüche (erneut) ab dem Zeitpunkt der Entstehung der späteren Forderungen zu laufen begänne oder gar eine bereits eingetretene Verjährung wieder entfiele. Die Annahme unvorhersehbarer Schäden kommt außerdem nur ausnahmsweise in Betracht, etwa, wenn sich aus ganz leichten Verletzungen, bei denen generell keine Folgeschäden zu erwarten sind, schwere Folgezustände ergeben oder wenn atypische Verletzungsfolgen auftreten, mit denen nach dem Verletzungsbild nicht gerechnet worden ist und auch nicht als denkbar gerechnet werden konnte. Demgegenüber lassen schwere Verletzungen regelmäßig Spätschäden befürchten, sodass auch insoweit die Verjährungsfrist bereits mit dem ersten Schaden zu laufen beginnt. Für die Beurteilung der Vorhersehbarkeit ist dabei auf die objektive Sicht eines Fachmediziners abzustellen. Ist eine Schadensfolge auch für Fachleute im Zeitpunkt der allgemeinen Kenntnis vom Schaden noch nicht vorhersehbar, wächst die Kenntnis dieser Schadensfolge jedoch in den beteiligten Fachkreisen heran, dann kommt es für den Beginn der Verjährung nicht darauf an, in welchem Zeitpunkt sich diese Kenntnis in den beteiligten Fachkreisen durchgesetzt hat, vielmehr ist der Zeitpunkt entscheidend, in dem der Verletzte selbst von der Schadensfolge Kenntnis erlangt.
Rz. 52
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Umfang der Rechtskraft nach der Erkennbarkeit von Unfallfolgen allein auf Grundlage des im Prozess vorgetragenen Sachverhalts zu beurteilen ist; Auswirkungen einer Körperverletzung, die demgemäß etwa nach dem tatsächlich gegebenen Verletzungsbild, nicht aber nach dem dazu im Rechtsstreit dargelegten Streitstoff bestanden oder zu erwarten waren, lassen demnach zwar einerseits die Verjährungsfrist mit der Kenntnis des Klägers vom Schaden beginnen, gehören aber andererseits nicht zum Gegenstand des Schadensersatzprozesses und werden daher von der dort getroffenen Entscheidung auch nicht mit umfasst.
Rz. 53
Für eine Kenntnis aller Umstände, die einen Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB begründen, ist es erforderlich, dass der Ausgleichsberechtigte Kenntnisse von den Umständen hat, die einen Anspruch des Gläubigers gegen den Ausgleichsverpflichteten begründen, von denjenigen, die einen Anspruch des Gläubigers gegen ihn selbst begründen, sowie von denjenigen, die das Gesamtschuldverhältnis begründen, und schließlich von den Umständen, die im Innenverhältnis eine Ausgleichspflicht begründen.
Rz. 54
Kenntnis der Person des Anspruchsgegners hat der Verletzte nur dann, wenn ihm dessen Name und Anschrift bekannt sind, bei mehreren Anspruchsgegnern unter Umständen für jeden gesondert. Dabei genügt es freilich, wenn der Verletzte Umstände kennt, die ohne jede nennenswerte Mühe zur Feststellung von Name und Adresse führen (polizeiliches Kennzeichen etc.). Kommt der Geschädigte etwa auf einer Baustelle zu Schaden, die ein Schild mit dem Firmennamen des Bauherrn aufweist, kann er sich – zumal bei anwaltlicher Vertretung – in zumutbarer Weise durch einfache Erkundigung über den Ersatzpflichtigen vergewissern. Der Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist wird auch nicht dadurch hinausgeschoben, dass der Geschädigte den Ausgang eines Strafverfahrens gegen den Bauleiter abwarten will oder eine Übertragung der Verkehrssicherungspflicht auf Dritte in Betracht zieht.
Rz. 55
Kennt der Geschädigte nur die Geschäftsanschrift des Ersatzpflichtigen im Ausland (hier: London), sollte ihm nach älterer Rechtsprechung die Erhebung einer Klage vor einem deutschen Gericht, deren Zustellung im Ausland mit erheblichen Ungewissheiten verbunden ist, nicht zuzumuten sein. Das dürfte – jedenfalls im Anwendungsbereich europäischen Zustellungsrechts – inzwischen nicht mehr anzunehmen sein, nachdem danach grundsätzlich nicht nur mi...