Rz. 59
Nachdem § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis seitens des Geschädigten abstellt, kommt es im Falle – ausnahmsweise beachtlicher – mittelbarer Schädigung (etwa nach §§ 844, 845 BGB, § 10 StVG, § 5 HPflG) auf den danach Anspruchsberechtigten an.
Rz. 60
Bei Minderjährigen und Geschäftsunfähigen ist die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters maßgebend, wobei die Kenntnis eines von mehreren ausreicht, falls dieser allein die Wahrnehmung der Schadensersatzansprüche übernommen hat.
Rz. 61
Auch bei juristischen Personen kommt es auf die Kenntnis deren gesetzlichen Vertreters an. Bei Behörden und öffentlichen Körperschaften ist auf die Kenntnis des zuständigen Bediensteten der verfügungsberechtigten Behörde abzustellen. Verfügungsberechtigt in diesem Sinne sind solche Behörden, denen die Entscheidungskompetenz für die zivilrechtliche Verfolgung von Schadensersatzansprüchen zukommt, wobei die behördliche Zuständigkeitsverteilung zu respektieren ist. Folgerichtig ist eine die Verjährungsfrist gem. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB in Lauf setzende grob fahrlässige Unkenntnis in Regressfällen nicht schon dann gegeben, wenn die Mitarbeiter der Leistungsabteilung (der Sozialversicherung des Geschädigten bzw. Behörde) bei arbeitsteiliger Organisation keine Initiativen zur Aufklärung des Schadensgeschehens entfaltet haben und deshalb der Schadensfall den Mitarbeitern der Regressabteilung nicht bekannt geworden ist, weil nur letztere in diesem Zusammenhang als Wissensvertreter der Institution qualifiziert werden können. In diesem Kontext ist freilich zu beachten, dass nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB nunmehr – im Gegensatz zum früheren Recht – auch die grob fahrlässige Unkenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen ausreicht. Demzufolge ist es nach jüngerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch Sache der Regressabteilung, behördenintern in geeigneter Weise zu sichern, dass sie frühzeitig von Schadensfällen Kenntnis erlangt, die einen Regress begründen könnten. Erhalte sie aufgrund einer nachlässigen Handhabung ihrer Obliegenheiten nicht in angemessener Zeit Kenntnis von einer Regressmöglichkeit, könne dies als eine dem Träger der Sozialversicherung nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 BGB zuzurechnende grob fahrlässige Unkenntnis zu werten sein; beispielsweise, wenn ein Mitarbeiter der Regressabteilung aus ihm zugeleiteten Unterlagen in einer anderen Angelegenheit ohne Weiteres hätte erkennen können, dass die Möglichkeit eines Regresses in einem weiteren Schadensfall in Betracht kommt und er die Frage des Rückgriffs auf sich beruhen lässt, ohne die gebotene Klärung der für den Rückgriff erforderlichen Umstände zu veranlassen. Außerdem sind bei der Frage, ob eine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis im vorgenannten Sinne gegeben ist, die Grundsätze der sekundären Darlegungslast anwendbar.
Rz. 62
Entsprechendes muss auch hinsichtlich etwaiger Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis sonstiger juristischer Personen, etwa von privatrechtlich organisierten Versicherungen gelten, bei denen es ebenfalls auf die zuständigen Mitarbeiter ankommt.
Rz. 63
Auch die Kenntnis eines etwaigen "Wissensvertreters" wird dem Geschädigten zugerechnet. Wissensvertreter ist, wem im Zusammenhang mit der Verfolgung des Schadensersatzanspruchs die Kenntnisnahme von bestimmten Tatsachen oder die Vornahme der erforderlichen Tatsachenfeststellungen übertragen worden ist. Das kann auch bei Ehegatten nicht ohne Weiteres vermutet, sondern muss anhand hinreichend tragfähiger Anhaltspunkte festgestellt werden, trifft aber z.B. auf einen Rechtsanwalt zu, den der Verletzte mit der Durchführung der erforderlichen Ermittlungen beauftragt hat.
Rz. 64
Bei der Beantwortung der Frage, ob bzw. wann bei einem Anspruchsübergang eine Zurechnung von Wissen des Zedenten stattfindet, ist zwischen den Fällen zu unterscheiden, in denen der Anspruch zunächst dem Geschädigten zusteht, dann aber auf einen anderen Rechtsträger übergeht und andererseits den Fällen, in denen sogleich ein anderer als der Geschädigte den Anspruch aus unerlaubter Handlung erwirbt.
Rz. 65
Erlangt der Geschädigte zunächst selbst den Anspruch, und kommt es erst später durch Abtretung, Erbgang oder sonst kraft Gesetzes zum Gläubigerwechsel, gilt § 404 BGB, wonach der Schuldner dem neuen Gläubiger die Einwendungen entgegensetzen kann, die zurzeit der Abtretung der Forderung gegen den bisherigen Gläubiger begründet waren. Das bedeutet, dass der neue Gläubiger sich auch eine zuvor erlangte Kenntnis des Geschädigten von Schaden und Schädiger zurechnen lassen muss. Eine bereits in Lauf gesetzte Verjährungsfrist läuft daher nach dem Anspruchsübergang weiter. Entsprechendes gilt selbstredend auch im umgekehrten Fall: Lagen in der Person des Geschädigten vor dem Anspruchsübergang noch nicht die für den Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist erforderlichen subjektiven Voraussetzungen vor, kommt es alleine darauf an, wann dies beim neu...