Dr. Katharina Hemmen, Dr. Julian Schick
Rz. 293
Im Fall der Aufhebung oder Auflösung einer privatnützigen Stiftung sind einige steuerliche Besonderheiten zu beachten. So gilt der Erwerb durch Anfallsberechtigte bei Aufhebung einer steuerpflichtigen Stiftung als Schenkung unter Lebenden. Die Besteuerung bei Aufhebung einer Familienstiftung ist ähnlich der bei der Errichtung der Stiftung, es greift das Steuerklassenprivileg. Ebenfalls als Aufhebung einer Familienstiftung wird die Änderung des Stiftungscharakters (sog. Umwandlung) angesehen.
a) Aufhebung einer steuerpflichtigen Stiftung
Rz. 294
Bei Aufhebung oder Auflösung einer Stiftung fällt das Stiftungsvermögen den in der Satzung bestimmten Personen zu, vgl. § 87c Abs. 1 BGB (bis 30.6.2023: § 88 BGB). Da die Anfallsberechtigten einen Anspruch auf den Vermögensanfall haben, kann dieser Vorgang nicht als freigebige Zuwendung gewertet werden. So bliebe der Vermögensübergang schenkungsteuerfrei, obgleich er mit dem steuerpflichtigen Vermögensübergang im Erbfall vergleichbar wäre. Dieses Ergebnis verhindert jedoch der Sondertatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 9 S. 1 ErbStG, der den Erwerb durch Anfallsberechtigte bei Stiftungsaufhebung als Schenkung unter Lebenden qualifiziert.
Rz. 295
Schüttet die Stiftung ohne endgültige Aufhebung Teile ihres Vermögens an Anfallsberechtigte aus, so richtet sich auch die Schenkungsteuerpflicht dieses Erwerbs nicht nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 S. 1 ErbStG, sondern ausschließlich nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.
Rz. 296
Gehört zum Stiftungsvermögen ein Betrieb oder Mitunternehmeranteil oder war die aufgehobene Stiftung zu mehr als 25 Prozent an einer inländischen Kapitalgesellschaft beteiligt, so kommen die Anfallsberechtigten ggf. in den Genuss der Vergünstigungsregelungen der §§ 13a bis 13c ErbStG.
b) Aufhebung einer Familienstiftung
Rz. 297
Die vollständige Aufhebung der Familienstiftung gilt als Schenkung unter Lebenden und ist als solche steuerpflichtig, vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 9 S. 1 ErbStG. Als Schenker gilt nicht die Stiftung, sondern der Stifter, vgl. § 15 Abs. 2 S. 2 ErbStG. Für die Bestimmung der Steuerklasse des Anfallsberechtigten ist daher auf das Verwandtschaftsverhältnis zum Stifter abzustellen, so dass nicht zwingend die ungünstige Steuerklasse III gilt. Die persönlichen Freibeträge des Anfallsberechtigten bestimmen sich ebenfalls nach seinem Verhältnis zum Stifter. Nach Auffassung der Rechtsprechung ist der Rückfall des Stiftungsvermögens an den Stifter selbst nicht steuerfrei, da § 15 Abs. 2 S. 2 ErbStG keine Aussage über die Person des Zuwendenden treffe.
Rz. 298
Erfolgt die Aufhebung der Familienstiftung zeitnah nach dem Stichtag der Erbersatzsteuer, kann die Steuer ermäßigt werden, vgl. § 26 ErbStG. Liegen zwischen Stiftungsaufhebung und Stichtag für die Erbersatzsteuer höchstens zwei Jahre, wird die Erbersatzsteuer auf die Schenkungsteuer zu 50 Prozent angerechnet. Bei einem Zeitraum von höchstens vier Jahren erfolgt eine Anrechnung i.H.v. 25 Prozent.
c) "Umwandlung" einer Familienstiftung
Rz. 299
Ein Sonderproblem ergibt sich beim Übergang von der Familienstiftung zur gewöhnlichen Stiftung. Die Finanzverwaltung behandelt die "Umwandlung" (im Sinne einer Umwidmung) einer Familienstiftung in eine gewöhnliche Stiftung durch Satzungsänderung als Errichtung einer neuen Stiftung, vgl. R E 1.2 Abs. 4 S. 1 ErbStR 2019. Auf die Errichtung der "neuen" Stiftung findet das Steuerklassenprivileg Anwendung, vgl. R E 1.2 Abs. 4 S. 4 ErbStR 2019.
Rz. 300
Entsprechendes gilt, wenn durch Satzungsänderung lediglich bisher nicht bezugs- oder anfallsberechtigte Familienmitglieder, die mit dem Stifter entfernter verwandt sind, in den Kreis der Destinatäre aufgenommen werden und durch ihre Zugehörigkeit zu diesem Personenkreis bereits zum Zeitpunkt der Besteuerung der Erstausstattung sich damals eine ungünstigere Steuerklasse ergeben hätte, vgl. R E 1.2 Abs. 4 S. 2 ErbStR 2011.
Rz. 301
Die "Umwandlung" in eine gemeinnützige Stiftung ist allerdings steuerfrei möglich, vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 16b ErbStG. Eine derartige Umwandlung kann steuerlich interessant sein, um vor Ablauf der 30-Jahres-Frist den Anfall der Erbersatzsteuer zu verhindern.