Dr. iur. Artur-Konrad Wypych
Rz. 19
Zu dem von nicht rauchenden Arbeitnehmern häufig geäußerten Wunsch nach einem tabakrauchfreien Arbeitsplatz hatte das BAG bereits 1998 entschieden, dass sich aus § 618 Abs. 1 BGB der arbeitsvertragliche Anspruch auf einen rauchfreien Arbeitsplatz (nur) dann ergibt, wenn dies für den betroffenen Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen geboten ist (BAG v. 17.2.1998 – 9 AZR 84/97). Dem Arbeitgeber wurde darin die Verantwortung auferlegt, die Arbeit so zu organisieren, dass die Atemluft am Arbeitsplatz nicht mit Tabakrauch durchsetzt wird, damit Arbeitnehmer durch Passivrauchen nicht in ihrer Gesundheit gefährdet werden. Welche Schutzmaßnahmen er dazu ergreift, bleibt allerdings ihm überlassen. Es besteht kein Anspruch auf eine absolut rauchfreie, klinisch reine Raumluft. Es darf allerdings das allgemein in der Umwelt übliche Maß der Belastung nicht überschritten werden. Konkret bedeutet dies, dass Rauchfreiheit (erst) dann besteht, wenn kein Rauch mehr "wahrnehmbar" ist. Das BAG stellte ferner klar, dass zur Beurteilung des konkreten Falles nicht nur die öffentlich-rechtlichen Vorschriften, insb. die ArbStättV, heranzuziehen sind. Diese enthalten nur Mindestanforderungen und begrenzen nicht die vom Arbeitgeber nach § 618 Abs. 1 BGB vertraglich geschuldete Fürsorge. Arbeitnehmer, die gesundheitsbedingt besonders empfindlich auf Rauch reagieren, können daher besondere Schutzmaßnahmen verlangen. Diese beinhalten den Anspruch auf Abwesenheit von gesundheitsgefährdendem Rauch am Arbeitsplatz, aber nicht auf bestimmte Schutzmaßnahmen wie ein allgemeines Rauchverbot (Staudinger, a.a.O., Rn 180 zu § 618). Ausdrücklich anerkannt ist ferner ein Anspruch auf Schutz vor Belästigung durch Rauch, es muss nicht bereits eine Gesundheitsgefahr bestehen (BAG v. 19.1.1999 – 1 AZR 499/98).
Rz. 20
Der Arbeitgeber wird gem. § 5 Abs. 1 ArbStättV zu "erforderlichen" Maßnahmen verpflichtet, um nicht rauchende Beschäftigte wirksam vor entsprechenden Gesundheitsgefahren zu schützen. Ein allgemeines oder räumlich begrenztes Rauchverbot wird darin ausdrücklich unter den Vorbehalt der Erforderlichkeit gestellt. Eine wesentliche Einschränkung ergibt sich daraus, dass in Arbeitsstätten mit Publikumsverkehr Schutzmaßnahmen nur insoweit zu treffen sind, "als die Natur des Betriebes und die Art der Beschäftigung es zulassen" (§ 5 Abs. 2 ArbStättV). § 5 Abs. 2 ArbStättV enthält ein Minimierungsgebot, d.h. der Arbeitgeber hat in Arbeitsstätten mit Publikumsverkehr die Gesundheitsgefahren für Nichtraucher im Rahmen von technischen und organisatorischen Schutzmaßnahmen zu reduzieren (BAG v. 10.5.2016 – 9 AZR 347/15). Die Neufassung des § 5 Abs. 2 ArbStättV umfasste lediglich eine Präzisierung des Wortlauts, um klarzustellen, dass bei Arbeitsstätten mit Publikumsverkehr Maßnahmen zum Nichtraucherschutz erforderlich sind. Diese Maßnahmen sind an die Natur des Betriebs und die Art der Beschäftigung anzupassen.
Der Erlass eines generellen Rauchverbotes für das gesamte Unternehmen erscheint aus arbeitsrechtlicher Sicht trotz der gestiegenen Bedeutung des Nichtraucherschutzes problematisch, wenn es nicht aus betrieblichen Gründen (Brandschutz) zwingend notwendig ist. Da Regelungen der ArbStättV den einzelnen Arbeitnehmer schützen, ergibt sich i.V.m § 618 BGB ein direkter Schutzanspruch gegen den Arbeitgeber. Aber auch danach sind die Anforderungen eines Publikumsverkehres zu berücksichtigen (§ 618 Abs. 1 BGB = soweit, "als die Natur der Dienstleistung es gestattet"). Zu berücksichtigen sind ebenso die Handlungsfreiheit und das Persönlichkeitsrecht der Raucher sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Auswahl der Schutzmaßnahmen. Das Mitbestimmungsrecht ergibt sich aus § 87 Abs. 1 Nr. 1, 7 BetrVG. Ein generelles Rauchverbot kann auch durch eine Betriebsvereinbarung eingeführt werden. Es darf jedoch nicht das Ziel haben, Arbeitnehmer von gesundheitsgefährdenden Gewohnheiten abzubringen (BAG v. 19.1.1999 – 1 AZR 499/98).
Rz. 21
Die Nichtraucherschutzgesetze der Länder (NiSchG) gelten nicht für die Privatwirtschaft. Allerdings ist unter Bezugnahme darauf (NiSchG NRW) die Zulässigkeit eines generellen Rauchverbotes im Dienstgebäude einer Stadtverwaltung in NRW verwaltungsgerichtlich bestätigt worden, ohne Anspruch auf einen Raucherraum oder zusätzliche Raucherpausen (OVG Nordrhein-Westfalen v. 29.3.2010 – 1 A 812/08). Bei der Prüfung des Schutzanspruches gerade bei Arbeitsplätzen mit Publikumsverkehr sind neben den Rechten der Besucher Umfang und Grenzen der unternehmerischen Betätigungsfreiheit, aber auch mögliche Überschneidungen der konkurrierenden bundes- und landesrechtlichen Schutzgesetze, so insb. § 5 Abs. 2 ArbStättV mit den Nichtraucherschutzgesetzen, sorgfältig zu prüfen (vgl. dazu ausführlich BAG v. 19.5.2009 – 9 AZR 241/08). Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass der Arbeitnehmer in der Raucherpause und auf dem Weg dorthin nicht unfallversichert ist. Rauchen wird, anders als die Nahrungsaufnahme, nicht als betrieblich erforderliche ...