Rz. 154

Sehr praxisrelevant ist auch die Frage, ob die nationale Verjährungsregelung des § 194 Abs. 1 i.V.m. § 195 BGB, wonach der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub einer regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren unterliegt, im Einklang mit europäischem Recht steht. Mit Beschl. v. 29.9.2020 (9 AZR 266/20 (A), juris) hat der 9. Senat des BAG ein Revisionsverfahren über das Bestehen von Urlaubsabgeltungsansprüchen ausgesetzt und zur Vorabentscheidung dem EuGH vorgelegt.

 

Rz. 155

In Umsetzung der Vorgaben des EuGH (EuGH v. 22.9.2022 C-120/21, juris) aufgrund des Vorabentscheidungsersuchens des BAG v. 29.9.2020 (9 AZR 266/20 (A), juris) ist das BAG mit Urt. v. 20.12.2022 zu dem Ergebnis gekommen, dass die dreijährige Verjährungsfrist für Urlaubsansprüche erst am Ende des Kalenderjahres beginnt, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer dennoch den Urlaub aus freien Stücken nicht genommen hat (vgl. BAG v. 20.12.2022 9 AZR 266/20, Pressemitteilung des BAG 48/22, juris). Der Urlaubsabgeltungsanspruch unterliegt seinerseits der Verjährung. Diese Grundsätze hat das BAG mit zwei Entscheidungen vom 31.1.2023 weiter konkretisiert:

Endete das Arbeitsverhältnis vor der Entscheidung EuGH v. 6.11.2018 und war dem Arbeitnehmer nicht zumutbar, Klage auf Abgeltung zu erheben, konnte die Verjährungsfrist nicht vor dem Ende des Jahres 2018 beginnen (vgl. BAG v. 31.1.2023 – 9 AZR 456/20, juris Flugschule). Endete das Arbeitsverhältnis vor der Entscheidung EuGH v. 6.11.2018 und oblag es dem Arbeitnehmer aufgrund der gegenläufigen Senatsrechtsprechung nicht, den Anspruch innerhalb der tarifvertraglichen Ausschlussfrist geltend zu machen, begann die Ausschlussfrist erst mit der Bekanntgabe des Urteils. Der Anspruch auf Abgeltung nicht genommen Urlaubs kann als reiner Geldanspruch tariflichen Ausschlussfristen unterfallen (vgl. BAG v. 31.1.2023 – 9 AZR 244/20, juris Zeitungsverlag).

 

Rz. 156

 

Praxistipp

Von großer praktischer Bedeutung kann die Grundsatzfrage sein, ob bzw. wann angesammelte Urlaubstage verjähren.
Der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub unterliegt der gesetzlichen Verjährung – dreijährige Verjährungsfrist.
Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt erst am Ende des Kalenderjahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt hat (Voraussetzung 1) und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat (Voraussetzung 2).

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