Rz. 66
Die Übertragung von Einzelpraxen im Wege der Abfassung einer Verfügung von Todes wegen ist prinzipiell ähnlich wie bei einer BGB-Gesellschaft möglich. Zu beachten ist jedoch, dass es bei einem Einzelunternehmen nicht zu einer Sonderrechtsnachfolge wie bei der BGB-Gesellschaft kommt. Die Praxis oder Kanzlei fällt also vollständig (als wirtschaftliche Einheit) in den Nachlass. Das Einzelunternehmen des Freiberuflers kann nur durch einen Berufsträger fortgeführt werden. Ist kein Erbe Berufsträger, so ist die Wahrung der wirtschaftlichen Identität durch die Erben nicht möglich. In diesem Fall erlischt die Kanzlei bzw. Praxis mit dem Tode des Erblassers. Lediglich die einzelnen vererbbaren Rechtsbeziehungen gehen dann auf die Erben über. Die Landesjustizverwaltung bzw. Rechtsanwaltskammer ist von Amts wegen verpflichtet zu prüfen, ob nicht ein Abwickler für die Kanzlei bestellt werden muss (vgl. Rdn 69). Dies kann die geplante Nachfolge von Todes wegen massiv erschweren bis vereiteln. Um dieses Ergebnis zu vermeiden, sollte der Berater bei der Praxis eines einzelnen Freiberuflers zum einen auf die Anordnung eines Vorausvermächtnisses (vgl. Rdn 53) zugunsten des Praxis- bzw. Kanzleinachfolgers oder aber auf die Anordnung einer Teilungsanordnung (vgl. Rdn 68) hinarbeiten. Zum anderen sollte (zwingend) bereits zu Lebzeiten eine teilweise Übertragung der Einzelpraxis, durch Gründung einer BGB-Gesellschaft, auf den Übernehmer und späteren Erben erfolgen. Vorteil des Vorausvermächtnisses im Vergleich zur Teilungsanordnung ist, dass der Praxis- bzw. Kanzleinachfolger nicht bis zur Auseinandersetzung des Nachlasses warten muss.
Rz. 67
Praxistipp
Wenn der Erblasser seine Kanzlei in Form des Vorausvermächtnisses an den Übernehmer überträgt, empfiehlt es sich, den Vermächtnisnehmer gleichzeitig zum Vermächtnisvollstrecker (Abwicklungsvollstrecker) zu ernennen. Dieser muss sich dann nicht mit den anderen Miterben auseinandersetzen und beispielsweise um Erfüllung des Vermächtnisses bitten. Vielmehr kann der Vermächtnisvollstrecker das Vermächtnis an sich selber erfüllen. Er ist gegenüber den Erben mit den gleichen Rechten ausgestattet wie ein normaler Testamentsvollstrecker. Im Streitfall wird den Miterben so eine ganz wichtige Position entzogen. Andernfalls müsste der Vermächtnisnehmer, im Falle einer fruchtlosen Aufforderung an die Miterben zur Erfüllung des Vermächtnisses, den Klageweg beschreiten. Hat der Vermächtnisnehmer indes bereits zu Lebzeiten einen Teil der Kanzlei übertragen bekommen und ist zudem testamentarisch zum Vermächtnisvollstrecker benannt worden, kann die Kanzlei nach dem Tode praktisch störungsfrei fortgeführt werden.
Rz. 68
Eine weitere Möglichkeit die Praxis bzw. Kanzlei einem bestimmten Erben zukommen zu lassen, ist, eine Teilungsanordnung zugunsten eines bestimmten Miterben zu treffen. Die Teilungsanordnung wirkt nur schuldrechtlich zwischen den Miterben und gibt diesen einen Anspruch, sich entsprechend der Teilungsanordnung auseinanderzusetzen. Da eine Teilungsanordnung nur gegen einen entsprechenden Wertausgleich möglich ist (eine Teilungsanordnung wirkt nicht wertverschiebend), ist der Praxis- bzw. Kanzleiübernehmer seinen Miterben zum finanziellen Ausgleich verpflichtet, sofern es sich bei der Kanzlei bzw. Praxis um einen wertmäßig größeren Teil als seinen eigentlichen Erbteil handelt. Will der Praxen- oder Kanzleiübergeber die Zahlung eines finanziellen Ausgleichs vermeiden, obwohl die Teilungsanordnung wertverschiebend wirkt, dann muss testamentarisch angeordnet werden, dass ein die Erbquote übersteigender Teil als Vorausvermächtnis zugewandt gilt.
Rz. 69
Weiß ein Anwalt, dass er als Erbe bzw. als Vermächtnisnehmer eine Kanzlei zugedacht bekommen hat, so sollte er sich unmittelbar nach Kenntniserlangung mit der zuständigen Rechtsanwaltskammer bzw. der Landesjustizverwaltung in Verbindung setzen. Diese ist nämlich gemäß § 55 Abs. 1 BRAO von Amts wegen verpflichtet, zu prüfen, ob sie für diese Kanzlei einen Abwickler bestellen muss oder nicht. Während dies bei Anwaltssozietäten (BGB-Gesellschaften) in der Regel nicht erfolgen muss, da die verbleibenden Sozien die Mandate des verstorbenen Anwalts weiterführen können, ist es, was die Kanzlei eines Einzelanwalts anbelangt, regelmäßig angezeigt, einen Abwickler zu bestellen. Der Abwickler soll längstens für die Dauer eines Jahres bestellt werden, da er den Kanzleibetrieb möglichst rasch zu Ende führen soll. Macht der Kanzleierbe glaubhaft, dass er die Kanzlei vererbt bzw. im Wege des Vermächtnisses zugewandt bekommt, so lässt sich der Tätigkeitszeitraum des Abwicklers ggf. reduzieren, zumal dieser erst zum Ende seiner Tätigkeit vergütet wird. Die Auswahl des Abwicklers steht im Ermessen der zuständigen Rechtsanwaltskammer. Der Kanzleierbe sollte bei der Rechtsanwaltskammer auf die Nichtbestellung eines Abwicklers hinwirken, hilfsweise beantragen, dass er zum Abwickler bestellt wird. Ge...