Rz. 16
Ganz grundlegend für das Verständnis des anwaltlichen Haftungsrechts ist die Beendigung des Anwaltsvertrages. Der Anwaltsvertrag wird durch die Erledigung des Auftrages, d.h. die Erreichung des Vertragszweckes beendet. Hinsichtlich einer Kündigung finden vorrangig die §§ 626, 627 und § 628 BGB Anwendung. Stellt sich das Mandatsverhältnis im Ausnahmefall als Anwaltswerkvertrages dar, kommen die §§ 642, 643, 645 und § 648 BGB zur Anwendung. Im Regelfall kann der Mandant im Rahmen von § 627 BGB einen Anwaltsdienstvertrag ohne weitere Voraussetzungen kündigen und zwar sogar ohne die Einhaltung einer Kündigungsfrist. Ist die Kündigung durch ein vertragswidriges Verhalten des Anwalts veranlasst, so macht er sich schadensersatzpflichtig (§ 628 Abs. 3 BGB). Der Schadensersatzanspruch richtet sich auf Ersatz des negativen Interesses, also des Vertrauensschadens, welches aber im Regressprozess gegen den Rechtsanwalt auf das Erfüllungsinteresse begrenzt ist. Dem Mandanten steht nach einer durch ein vertragswidriges Verhalten des Rechtsanwalts veranlassten Kündigung ein Schadensersatzanspruch nur zu, wenn das vertragswidrige Verhalten des Rechtsanwalts einen wichtigen Kündigungsgrund bildet und zwingend die Frist von zwei Wochen nach § 626 BGB gewahrt ist. Grundsätzlich behält der Rechtsanwalt seinen Vergütungsanspruch gemäß § 628 BGB in dem Umfang, in dem er die Leistungen erbracht hat. Veranlasst der Rechtsanwalt indes durch ein vertragswidriges Verhalten die Kündigung des Mandanten, so steht ihm nach § 628 Abs. 1 S. 2 BGB ein Vergütungsanspruch insoweit nicht zu, als seine bisherigen Leistungen infolge der Kündigung für den Auftraggeber kein Interesse mehr haben. Wenn ein Rechtsanwalt beispielsweise die Berufungsbegründung mit Aussichtslosigkeit ablehnt, stellt dies an sich keine Kündigung des Mandats da – der Mandant muss dann, wenn er einen zweiten Rechtsanwalt hinzuzieht, beide Rechtsanwälte bezahlen. Hat der Rechtsanwalt die Kündigung eines geschlossenen Anwaltsvertrages durch vertragswidriges Verhalten veranlasst und muss der Auftraggeber des Rechtsanwalts einen anderen Rechtsanwalt bestellen, führt dies zum Untergang des Vergütungsanspruchs des erstbeauftragten Anwalts.
Rz. 17
Die Vergütungspflicht für den Mandanten entfällt erst dann, wenn der Anwalt sich in einer Weise vertragswidrig verhalten hat, dass wegen dieses Pflichtenverstoßes das Vertrauensverhältnis zum Anwalt zerstört wurde und seinem Mandanten die Entgegennahmen weiterer Leistungen unzumutbar ist. Setzt sich der Mandant mehrfach in unvernünftiger Weise über den fundierten Rat seines Anwalts hinweg, ist dies geeignet, die Vertrauensbasis des Mandats nachhaltig zu erschüttern. Der Anwalt ist in einem solchen Fall zur Kündigung des Anwaltsvertrages berechtigt und kann sein Honorar verlangen. Das Gleiche gilt, wenn der Rechtsanwalt von der Aussichtslosigkeit einer Sache überzeugt ist. Im Grundsatz darf der Rechtsanwalt seinen Mandanten nur bei einem Vertrauensbruch im Stich lassen. Ein Rechtsanwalt kann seinen Vergütungsanspruch verlieren, wenn er seinem Mandanten nicht vorher eine Kündigungsandrohung zukommen lässt.
Rz. 18
Bei einem Werkvertrag kann der Mandant gemäß § 649 BGB den Vertrag bis zur Vollendung des Werkes ebenfalls jederzeit kündigen, muss aber auch hier die vereinbarte Vergütung entrichten. Im Grundsatz ist der Rechtsanwalt nur dadurch geschützt, dass der Mandant bei Beauftragung eines anderen Rechtsanwalts wieder eine Vergütung zahlen muss. Ist die Kündigung eines Rechtsanwalts durch ein vertragswidriges Verhalten des Mandanten veranlasst – etwa weil dieser Rechtsanwaltsgebühren nicht zahlt –, kann dem Rechtsanwalt als Schadensersatz gemäß § 628 Abs. 2 BGB auch der Teil der Gebühren zustehen, der bei voller Auftragsdurchführung angefallen wäre. Ein Ausschluss der Gebührenforderung unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung kommt nur in extremen Ausnahmetatbeständen in Betracht, wenn der Rechtsanwalt einen grob fahrlässigen Pflichtenverstoß oder einen Parteiverrat begeht. Auch ein vereinbartes Pauschalhonorar kann auf den Teil herabgesetzt werden, welches der bisherigen Tätigkeit entspricht.