Dieter Trimborn van Landenberg
Rz. 24
Nach einer Scheidung durch Trennung oder Tod ist oft zu beobachten, dass Kinder dem überlebenden Elternteil als Partnerersatz dienen, auch zur Regelung wirtschaftlicher Belange. Rechtfertigt dieses "besondere Vertrauensverhältnis" eine Privilegierung des Kindes, das bevollmächtigt wird? Die bisherige klare Linie der Rechtsprechung hat dies stets verneint. Daher gibt es auch kaum veröffentlichte Urteile, weil diese so spannend wären, als würde der BGH neuerdings verkünden, dass der Käufer einen Kaufpreis schulde. Leider leben wir in unsicheren Zeiten, denn das OLG Köln spielt in richterlicher Rechtsfortbildung das Auftragsverhältnis zwischen Tochter und Mutter gegen das "Vertrauensverhältnis" als Rechtsgrund für die Haftungsfreistellung aus. Unter Verweis auf die bevollmächtigtenfreundliche Rechtsprechung der OLGs Düsseldorf und Naumburg zu unverheirateten Paaren stellt es fest:
Zitat
Auch in dem hier zu beurteilenden Sachverhalt liegt ein solches besonderes Vertrauensverhältnis vor: Die Beklagte als Tochter der Erblasserin hat sich nach unstreitigem Vortrag um ihre Mutter, die Erblasserin, gekümmert. Die Beklagte wohnte in unmittelbarer Nachbarschaft zur Erblasserin und war letztlich für deren Versorgung neben den Pflegekräften zuständig. In dieser Situation, in der sich ein Kind in gesteigertem Maße um die Mutter kümmert und nicht lediglich über eine Bankvollmacht verfügt, liegt ein besonderes Vertrauensverhältnis vor.
Zwar gilt auch in einem solchen Vertrauensverhältnis, dass auch hier eine Auskunftspflicht zumindest dann wieder entstehen kann, wenn Tatsachen feststehen, die zu Zweifeln an der Zuverlässigkeit des Beauftragten und seiner Geschäftsführung Anlass geben. Anhaltspunkte für derartige Zweifel an der Zuverlässigkeit der Beklagten hat der Kläger jedoch nicht hinreichend dargetan.
Rz. 25
Nach dieser Rechtsgeschäftslehre entscheiden nicht Angebot und Annahme, sondern Nachbarschaft und Kümmern über die Frage, ob ein Auftragsverhältnis besteht oder nicht, frei nach der Devise: Muttis Liebling kann nichts passieren – ein fatales Signal. Rechtsanwälten von zu Unrecht verfolgten Bevollmächtigten kann dieses Urteil immerhin eine wertvolle Argumentationshilfe geben. Es steht aber zu hoffen, dass der erkennende Senat des OLG Köln nicht mit Arzthaftungssachen befasst war. Oder sollte mein langjähriger Hausarzt mein blindes Vertrauen in ihn als Argument gegen seine Haftung verwenden dürfen, obwohl er das falsche Medikament verordnet hat, an dem ich dann tatsächlich erblindet bin?
Rz. 26
Etwas zurückhaltender und im Ergebnis verneinend prüft das OLG Braunschweig das Eltern-Kind-Verhältnis
Zitat
Der Grundsatz, wonach Ehegatten regelmäßig kein Auftragsverhältnis untereinander begründen, gilt wegen des die Ehe prägenden besonderen Vertrauensverhältnisses nicht pauschal für andere Angehörigenbeziehungen. Daraus folgt für das Verhältnis der Mutter zu dem von ihr bevollmächtigten Sohn indes auch nicht umgekehrt bereits "automatisch" ein Auftragsverhältnis (nebst Rechnungslegungspflicht). Entscheidend sind vielmehr alle Umstände des Einzelfalles.
Einigt sich eine Mutter mit ihrem erwachsenen, mit ihr nicht im selben Haushalt lebenden Sohn darauf, dass, falls sie irgendwann durch Krankheit oder Behinderung vorübergehend oder dauerhaft selbst nicht mehr dazu in der Lage sein sollte, ihre rechtlichen Angelegenheiten zu regeln und ihren Willen zu äußern, der Sohn sich um die Regelung ihrer rechtlichen Angelegenheiten kümmern soll, und wird ihm im Zusammenhang mit dieser Einigung von der Mutter eine ausdrücklich nur unter denselben Voraussetzungen geltende Vorsorgevollmacht erteilt, ist regelmäßig von einem zum Eintritt der entsprechenden Hilfsbedürftigkeit der Mutter wirksam werdenden Auftragsverhältnis auszugehen; ein solches Auftragsverhältnis verpflichtet den Sohn i.d.R. dann auch zur Rechnungslegung.
In gleicher Weise sah auch das OLG Karlsruhe die Tochter in der Pflicht, ihrem Bruder als Erben der verstorbenen Mutter Auskunft über die Verwendung von abgehobenen Geldern zu geben.
Als Faustregel mag gelten: Die Prüfung im Einzelfall kommt im Regelfall zum Ergebnis, dass zwischen Eltern und Kindern ein Auftragsverhältnis besteht.