Dr. iur. Stephanie Herzog
Rz. 1
Aus der Schuldnerstellung gegenüber den Nachlassgläubigern kommt der Erbe nur durch Ausschlagung oder Anfechtung der Annahme der Erbschaft wieder heraus (siehe oben § 2 Rdn 19). Diese Möglichkeit steht nur dem Erben selbst bzw. seinen Rechtsnachfolgern, den Erbeserben, persönlich zu; der Nachlasspfleger ist nicht berechtigt, mit Wirkung für die unbekannten Erben eine in den Nachlass des Erblassers gefallene weitere Erbschaft auszuschlagen.
Betrachten wir diese Möglichkeit näher: Nach § 1953 Abs. 1 BGB verhindert die Ausschlagung den Anfall an den Erben mit Rückwirkung. Der Nachlass gilt als von Anfang an nicht auf ihn übergegangen. Die bereits eingetretene Gesamtrechtsnachfolge auf den vorläufigen Erben wird rückgängig gemacht. Damit haftet er auch nicht mehr für die Verbindlichkeiten des Erblassers, da er nicht Erbe ist. Durch die Ausschlagung entzieht er sich der Schuldnerstellung für die Nachlassverbindlichkeiten.
Rz. 2
Hierzu gewährt das Gesetz dem Erben eine ungefährliche (aber oft zu kurze) Bedenkzeit von grds. sechs Wochen ab Kenntnis von Erbfall und vom Berufungsgrund gemäß § 1944 Abs. 1 und 2 BGB. Währenddessen kann der Erbe jegliche Forderung, die ein Nachlassgläubiger – sei es gerichtlich oder außergerichtlich – geltend macht, nach § 1958 BGB abwehren (siehe hierzu näher § 4 Rdn 23).
Hinweis
In dieser Zeit besteht für den Erben trotz des Vonselbsterwerbs im Wege der Universalsukzession im Zeitpunkt des Todes des Erblassers auch keinerlei Insolvenzantragspflicht nach § 1980 BGB. Dies gilt auch dann, wenn unklar ist, ob die Ausschlagung bzw. Anfechtung wirksam erfolgt ist. Anders ist dies nur, wenn ausschließlich von dritter Seite die Erbenstellung bezweifelt wird und der Erbe nach Annahme der Erbschaft im Rahmen eines Erbprätendentenstreits verklagt wird. Da es aber dem Erben rglm. nicht möglich sein wird, seine Erbenstellung im Rahmen des Insolvenzantrages glaubhaft zu machen, wird es i.d.R. am Vertretenmüssen fehlen und somit eine Haftung nach § 1980 BGB ausgeschlossen sein; denn auch ein mangelnder Insolvenzantrag des Nachlasspflegers wird ihm nicht nach § 278 BGB zugerechnet, da dieser zwar gesetzlicher Vertreter des Erben ist, nicht aber in dessen Pflichtenkreis tätig wird.
Rz. 3
Während dieser Bedenkzeit besteht für den Erben keinerlei Pflicht zum Tätigwerden für den Nachlass. Nimmt er dennoch Geschäfte für den Nachlass wahr, ohne dass hierin eine Annahme der Erbschaft zu sehen wäre (z.B. im Falle einer Notgeschäftsführung, § 1959 Abs. 1 BGB), so haftet er für die Verwaltung des Nachlasses nur nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag und zwar im Falle der Ausschlagung dem endgültigen Erben gegenüber gemäß § 1959 Abs. 1 BGB (siehe Rdn 39 ff.).
Hinweis
Entscheidet er sich gegen die Ausschlagung, so haftet er gemäß § 1978 Abs. 1 S. 2 BGB den Nachlassgläubigern gegenüber als Geschäftsführer ohne Auftrag, siehe § 4 Rdn 13.
I. Ausschlagungsfrist
Rz. 4
Die Ausschlagung ist zunächst nur vor der Annahme der Erbschaft möglich. Dabei ist zu bedenken, dass eine Annahme auch konkludent erfolgen kann und diese Erklärung dem Nachlassgericht nicht zugehen muss.
Hinweis
Der vorläufige Erbe ist damit nicht nur nicht verpflichtet, sich um den Nachlass zu kümmern. Dies kann auch gefährlich sein, weil darin eine konkludente Annahme liegen kann, die eine Ausschlagung ausschließt.
Rz. 5
Ferner kann nur innerhalb von sechs Wochen seit der Kenntnis vom Anfall der Erbschaft und vom Grund seiner Berufung, § 1944 Abs. 1 S. 1 BGB, (bei gewillkürter Erbfolge nicht vor Bekanntgabe der Verfügung von Todes wegen durch das Nachlassgericht, § 1944 Abs. 1 S. 2 BGB) ausgeschlagen werden. Das Verpassen der Frist gilt als Annahme, § 1943 BGB.
Hinweis
Die Ausschlagungsfrist wird infolge höherer Gewalt nach §§ 1944, 206 BGB gehemmt, wenn eine rechtzeitig beantragte betreuungsgerichtliche Genehmigung nicht erteilt wird. Unklar ist aber, ob die Genehmigung vor Ablauf der 6-Wochen-Frist beantragt werden muss und ob die Hemmung nach § 209 BGB bereits ab Beginn des Genehmigungsverfahrens eintritt oder erst mit Zugang der formgerechten Ausschlagungserklärung beim Gericht.
II. Form
Rz. 6
Die Ausschlagungserklärung muss gegenüb...