Rz. 44

Steuerliche Gefahren für Zuzügler aus Deutschland bergen Art. 4 Abs. 3 und Abs. 4 DBA Schweiz/Deutschland, die das Besteuerungsrecht Deutschlands ausweiten. Art. 4 Abs. 3 DBA Schweiz/Deutschland betrifft natürliche Personen, die nach den nationalen Steuergesetzen Deutschlands und der Schweiz in beiden Staaten unbeschränkt steuerpflichtig sind, jedoch über Art. 4 Abs. 2 DBA Schweiz/Deutschland als in der Schweiz ansässig gelten. Damit erhält der vorstehend definierte Begriff der "ständigen Wohnstätte" besonderes Gewicht. In diesem Fall kann Deutschland die natürliche Person weiterhin wie eine unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Person besteuern. Dabei ist Deutschland gem. Abs. 3 allerdings daran gebunden, (i) Art. 24 Abs. 1 Ziff. 1 über die Ausnahme gewisser Einkünfte von der Bemessungsgrundlage anzuwenden, (ii) die in der Schweiz erhobenen Steuern auf aus der Schweiz stammenden Einkünfte und dort belegenen Vermögenswerte an die deutsche Steuer (mit Ausnahme der Gewerbesteuer) anzurechnen sowie (iii) die auf allen anderen Einkünften und Vermögenswerten erhobene Schweizer Steuer in jenem Umfang anzurechnen, welcher der deutschen Steuer entspricht, die aufgrund der Nichtanwendung der Art. 6–22 DBA Schweiz/Deutschland zusätzlich erhoben wird. Im Ergebnis werden jedoch die hohen Steuersätze Deutschlands auch auf diese Personen angewendet. Um nicht der Besteuerung nach Art. 4 Abs. 3 DBA Schweiz/Deutschland zu unterliegen, hilft hier nur die vollständige Aufgabe des deutschen Wohnsitzes weiter.

 

Rz. 45

Von Art. 4 Abs. 4 DBA Schweiz/Deutschland betroffen sind in der Schweiz ansässige natürliche Personen, welche nicht die schweizerische Staatsangehörigkeit besitzen und vor dem Wegzug in die Schweiz bzw. der Aufgabe der Steuerpflicht in Deutschland während mindestens fünf Jahren in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig waren. Dieser Artikel eröffnet dem deutschen Fiskus ebenfalls ein erweitertes Besteuerungsrecht. Sind nämlich die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt, können im Jahr des Wegzugs sowie in den darauffolgenden fünf Jahren die aus Deutschland stammenden Einkünfte sowie die dort gelegenen Vermögenswerte, ungeachtet der sonstigen DBA-Bestimmungen, unbeschränkt in Deutschland besteuert werden. Eine allfällige in der Schweiz erhobene Steuer auf denselben Einkommens- und Vermögenswerten wird an die deutsche Steuer angerechnet, soweit dies im DBA vorgesehen ist.[59]

 

Rz. 46

Dieser Art. 4 Abs. 4 DBA Schweiz/Deutschland ist dann nicht anwendbar, wenn der Zuzug in die Schweiz nur zum Zwecke der Aufnahme einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit erfolgt ist, wobei der Arbeitnehmer über das Arbeitsverhältnis hinaus weder unmittelbar noch mittelbar eine Beteiligung oder ein wirtschaftliches Interesse am Arbeitgeber haben darf. Praxisgemäß ist für diese Befreiung lediglich die sich beim Umzug manifestierende Absicht relevant, eine unselbstständige Tätigkeit in der Schweiz aufnehmen zu wollen. Entsprechend kann die überdachende Besteuerung auch nicht nachträglich wieder einsetzen, sollte die Erwerbsabsicht nicht tatsächlich umgesetzt werden können.[60] Ebenfalls nicht angewendet wird Abs. 4 wenn der Wegzug in die Schweiz aufgrund Heirat mit einer Person schweizerischer Staatsangehörigkeit erfolgt.[61]

[59] § 34c EStG findet über Art. 4 Abs. 4 S. 3 DBA Schweiz/Deutschland Anwendung.
[60] Scheunemann/Kotyrba/Geffken, zsis 2014, Aufsätze Nr. 1.
[61] Einführungsschreiben der EStV, Abteilung für int. Steuerrecht und Doppelbesteuerungssachen zu Art. 15a DBAD, 6.9.1994, in der Fassung der seither getroffenen Verständigungsvereinbarungen vom 11.12.1996, 4.6.1997, 7.5.1998 und 28.11.2014; Einführungsschreiben zur Neuregelung der Grenzgängerbesteuerung, BMF v. 19.9.1994, IV C 6 – S 1301 – Schweiz -60/94, BStBl I 1994, 683, geändert durch BMF vom 7.7.1997, BStBl I 1997, 723; Tz. 41.

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