Frank-Michael Goebel, Claudia Wagener-Neef
Rz. 74
Gerichtliche Verfahren i.S.v. Nr. 1003 VV RVG sind gerichtliche Verfahren aller Gerichtsbarkeiten. Da der Gesetzgeber lediglich ein gerichtliches Verfahren und nicht ein richterliches Gerichtsverfahren vorgibt, sind auch die Verfahren, in denen der Rechtspfleger entscheidet, gemeint.
Rz. 75
Beispiel
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Zivilgerichtsverfahren, |
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verwaltungs-, sozial- und finanzgerichtliche Verfahren, |
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Beschwerdeverfahren, |
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Eilverfahren, |
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Erinnerungsverfahren, |
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Mahnverfahren, |
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PKH-Bewilligungsverfahren, außer für selbstständiges Beweisverfahren, |
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Vergütungsfestsetzungsverfahren, |
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Zwangsvollstreckungsverfahren, |
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Zwangsvollstreckungsmaßnahmen über den GV. |
Rz. 76
Vor Inkrafttreten der ab 31.12.2006 geltenden Fassung der Anlage 1 zum VV RVG in Bezug auf Nr. 1003 VV RVG kam es zu Diskussionen, ob sich die Einigungsgebühr von 1,5 auf 1,0 reduziert, wenn es während der Tätigkeit des GV zu einer Einigung zwischen Gläubiger und Schuldner kam. Der GV ist nun wahrlich nicht in einem Gerichtsverfahren tätig, so dass nach dem seinerzeitigen Wortlaut der Vorschrift die Anwendung der Nr. 1003 VV RVG zu verneinen war. Der Gesetzgeber wollte aber offensichtlich nicht nur die Gerichte entlasten, sondern auch die GV. Ferner ist es im Vergleich zu z.B. Forderungspfändungsverfahren, die ein gerichtliches Verfahren darstellen, nicht nachzuvollziehen, warum Vollstreckungsmaßnahmen über den GV gebührenrechtlich anders zu bewerten sind. Der Gesetzgeber hat nachgebessert und in der Anm. 1 zu Nr. 1003 VV RVG am Schluss angefügt "Das Verfahren vor dem GV steht einem gerichtlichen Verfahren gleich".
Rz. 77
Hinweis
Nicht jede Tätigkeit des GV ist ein Verfahren vor dem GV. Ist der GV nur Zustellungsorgan, verringert sich die Einigungsgebühr nicht und der RA kann eine 1,5-Gebühr abrechnen.
Rz. 78
Beispiel
Der GV wird vom Gläubiger mit der Zustellung der Vorpfändungsbenachrichtigung (vorläufiges Zahlungsverbot) an den Drittschuldner beauftragt. Noch vor Zustellung an den DS schließen der RA des Gläubigers und der Schuldner einen Teilzahlungsvergleich.
Rz. 79
Es ist zu unterscheiden:
Hat der Gläubiger den GV gem. § 845 Abs. 1 S. 2 ZPO mit der Anfertigung der Vorpfändungsbenachrichtigung beauftragt, so muss der GV nach § 126 Abs. 3 GVGA die Voraussetzungen der Pfändung prüfen. In diesem Fall wird der GV als Vollstreckungsorgan tätig, so dass sich die Einigungsgebühr auf 1,0 reduziert.
Wird der GV jedoch nur mit der Zustellung der vom Gläubiger bzw. Gläubigervertreter gefertigten Vorpfändungsbenachrichtigung beauftragt, wird der GV nicht als Vollstreckungsorgan, sondern lediglich als Zustellungsorgan gem. § 126 Abs. 4 GVGA tätig. In diesem Fall ist eine Einigungsgebühr in voller Höhe von 1,5 zu bejahen.
War zum Zeitpunkt der Einigung allerdings bereits der Antrag auf Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bei Gericht anhängig, reduziert sich die Einigungsgebühr auf eine 1,0, nicht aber wegen der reinen Zustellungstätigkeit des GV, sondern wegen der gerichtlichen Anhängigkeit durch den PfÜB-Antrag.