Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 18
Die in der erbrechtlich ausgerichteten anwaltlichen Praxis mit Abstand größte sozialhilferechtliche Bedeutung hatten bis zum 31.12.2019 die Eingliederungshilfeleistungen für Menschen mit Behinderung, weil für Leistungsbezieher von Eingliederungshilfe üblicherweise sog. Behindertentestamente entwickelt werden. Diese Leistungen sind seit 1.1.2020 in das SGB IX überführt worden. Insoweit wird auf § 6 dieses Buches und § 11 zum SGB IX verwiesen.
Rz. 19
Aufgerückt in der praktischen Bedeutung ist jetzt die sozialhilferechtliche Hilfe zur Pflege (§§ 61 ff. SGB XII). Das sind Hilfen für Menschen, die pflegebedürftig sind oder werden, und ihren Bedarf nicht allein aus der gesetzlichen Pflegeversicherung und ihren eigenen Mitteln decken können.
Rz. 20
Pflegebedürftigen Menschen, insbesondere Ehegatten/Lebenspartner und Eltern, sind trotz des Angehörigenentlastungs- und des Bundesteilhabegesetzes zum 1.1.2020 immer noch ein brandaktuelles Praxisthema. Zwar gilt seit 1.1.2020 § 94 Abs. 1a SGB XII, der bestimmt, dass Elternunterhaltsansprüche, die aus bis zu 100.000 EUR Gesamteinkommen i.S.d. § 16 SGB IV errechnet werden, kein Einkommen i.S.d. § 82 SGB XII mehr darstellen und deshalb auch nicht nach § 94 SGB XII übergehen. Davon unberührt ist aber die Bedeutung von Schenkungsrückforderungsansprüchen und Schonvermögen bei Heimunterbringung für die Sozialhilfe.
Rz. 21
Fallbeispiel 19: Der Schenkungsrückforderungsanspruch des heimpflegebedürftigen Vaters
Der Vater (Rentner mit 1.700 EUR monatlicher Rente) wendete dem Sohn 2018 einen Betrag von 50.000 EUR zu, damit dieser seine Schulden tilgen konnte. 2020 wird der Vater im Pflegegrad 2 heimpflegebedürftig mit Kosten von 3.800 EUR monatlich und kann seinen Bedarf nicht mehr aus eigenen Mitteln decken. Der Sozialhilfeträger verweist auf den Schenkungsrückforderungsanspruch gegen den Sohn und verweigert Leistungen. Der Sohn erklärt, er lehne Leistungen ab, denn er gefährde seinen standesgemäßen eigenen Unterhalt durch eine Rückzahlung.
Rz. 22
Bei notwendigem Aufenthalt in einem Pflegeheim bestimmen die Heimunterbringungskosten den sozialhilferechtlichen Bedarf und damit auch den unterhaltsrechtlichen Bedarf eines Elternteils. Sozialhilferechtlich wie unterhaltsrechtlich besteht eine Obliegenheit zur Wahl einer dem Pflegebedürftigen zumutbaren einfachen und kostengünstigen Heimunterbringung. Ein in einem Heim lebender Unterhaltsberechtigter ist außerdem darauf angewiesen, für seine persönlichen, von den Leistungen der Einrichtung nicht erfassten Bedürfnisse über bare Mittel verfügen zu können, weil er andernfalls nicht in der Lage wäre, diese Bedürfnisse zu finanzieren("Taschengeld").
Rz. 23
Die eigentlich wesentlichen Heimkosten bestehen aus drei Bestandteilen:
Sie stellen – neben der Verpflichtung zur Zahlung des weiteren notwendigen Lebensunterhalts nach § 27b Abs. 2 SGB XII – den sozialhilferechtlichen Bedarf des heimpflegebedürftigen Elternteils dar.
Rz. 24
Der sozialhilferechtliche Anspruch des Pflegebedürftigen auf Deckung von Bedarf wegen vollstationärer Unterbringung besteht in der Regel aus mehreren Einzelansprüchen:
▪ |
Für die Sicherung des notwendigen Lebensunterhalts kommt bei Bedürftigkeit vorrangig Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (§ 42 SGB XII) und ersatzweise Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 27 ff. SGB XII) in Höhe von 80 % des Regelbedarfs für Haushaltsangehörige in Betracht. Die Kosten der Unterkunft sind nach § 42 Nr. 4 SGB XII gedeckelt. Es werden die durchschnittlichen angemessenen Unterkunfts- und Heizkosten für einen Einpersonenhaushalt im Bereich des zuständigen Sozialhilfeträgers zugrunde gelegt. Soweit sie darüber hinausgehen, greift die Hilfe zum Lebensunterhalt nach §§ 27b, 35 SGB XII (notwendiger Lebensunterhalt in Einrichtungen/Unterkunft und Heizung). |
▪ |
Für die Sicherung des weiteren notwendigen Lebensunterhalts in Einrichtungen gilt § 27 Abs. 2 SGB XII. Er umfasst Kleidung und einen angemessenen Barbetrag zur persönlichen Verfügung. |
Rz. 25
In Fallbeispiel 19 geht es zum einen um solche existentiellen Leistungen des dritten und vierten Kapitels des SGB XII, die der Vater aber aus seiner Rente problemlos selbst decken kann.
Andererseits geht es um eine Fachleistung, eine sog. Hilfe in speziellen Lebenslagen, die Hilfe zur Pflege (§ 19 Abs. 3, §§ 61 ff. SGB XII). Hilfe zur Pflege erhalten Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen. Die Hilfe zur Pflege umfasst nach § 61 Abs. 2 SGB XII
▪ |
häusliche Pflege |
▪ |
Hilfsmittel |
▪ |
teilstationäre Pflege |
▪ |
Kurzzeitpflege |
▪ |
stationäre Pflege. |
Für die Hilfe z...