Florian Enzensberger, Maximilian Maar
Rz. 76
Wie gerade dargestellt, kommt ein dem Erblasser vorbehaltener Nießbrauch nicht als Wertminderung der Schenkung in Ansatz, wenn bei der Anwendung des Niederstwertprinzips der Wert eines Grundstücks zum Zeitpunkt des Erbfalls maßgeblich ist. Das OLG Schleswig vertrat in einer Entscheidung vom 25.11.2008 die Auffassung, dass die Ermittlung des Grundstückswerts zum Zeitpunkt der Schenkung unter Abzug einer Verpflichtung zur Leibrentenzahlung ermittelt werden muss. Ob in der Verpflichtung zur Leibrentenzahlung eine Gegenleistung oder eine Auflage zu sehen ist, kann in diesem Zusammenhang dahinstehen. Der Wert dieser Leistungen muss unabhängig davon bei der Bestimmung des Werts des Gegenstands berücksichtigt werden. Bei der Berechnung ist von dem abstrakt zu errechnenden Kapitalisierungswert auszugehen.
Ist nach dem Niederstwertprinzip der Wert zum Zeitpunkt des Erbfalls heranzuziehen, so bleibt der Nießbrauch unberücksichtigt, denn er erlosch mit dem Tode des Erblassers und belastet damit den Wert des Geschenks zum maßgeblichen Bewertungszeitpunkt nicht mehr. Sehr wohl zu berücksichtigen bleibt der Wert der übernommenen Leibrentenverpflichtung, so das OLG Schleswig. Denn ausgleichspflichtig im Rahmen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs ist nicht die Grundstücksübertragung als solche, sondern die ihr zugrunde liegende Schenkung. Erfolgt eine Übertragung teilweise entgeltlich, teilweise unentgeltlich (gemischte Schenkung), so besteht nur im Umfang des unentgeltlichen Teils eine Ausgleichspflicht. Entgeltlich ist die Grundstücksübertragung der Sache nach, soweit sich der Erwerber zur Zahlung einer Leibrente verpflichtet hat. Die Berücksichtigung derartiger Verpflichtungen steht auch nicht im Widerspruch zur fehlenden Berücksichtigung des Nießbrauchsvorbehalts. Wegen dieser Verpflichtungen hat der Übernehmer des Grundstücks sein Vermögen mindernde Leistungen erbracht. Insoweit ist er nicht beschenkt.
Keine Vermögensminderung stellt hingegen der Nießbrauchsvorbehalt dar, wenn der maßgebliche Bewertungszeitpunkt für die Schenkung der des Erbfalls ist. Wie bereits dargestellt, erfährt der Beschenkte dann durch den Nießbrauchsvorbehalt keine Vermögensminderung, weil der Nießbrauch zugunsten des Erblassers mit dessen Tode erlischt. Auch der BGH hat in seiner letzten Entscheidung, in der er sich noch einmal ausführlich mit den Einwänden gegen seine Rechtsprechung zum Niederstwertprinzip auseinandergesetzt hat, eine Berücksichtigung des Wohnungsrechts bei Maßgeblichkeit des Grundstückswerts zum Zeitpunkt des Erbfalls nachdrücklich ausgeschlossen, die Berücksichtigung übernommener Pflegeverpflichtungen hingegen erkennbar für möglich gehalten.