Dr. iur. Berthold Hilderink, Prof. Dr. Martin Becker
Rz. 1253
Es stellt sich die Frage, ob der Arbeitnehmer auch dann einen Anspruch auf Wiedereinstellung hat, wenn er mit dem Arbeitgeber nach Ausspruch der Kündigung einen Abfindungsvergleich geschlossen hat. Das BAG erwägt, dass durch einen Abfindungsvergleich ein etwaiger Wiedereinstellungsanspruch wirksam ausgeschlossen worden sein kann (BAG v. 28.6.2000 – 7 AZR 940/98, NZA 2000, 1097, unter II B 3c aa) der Gründe). Zunächst ist durch Auslegung zu ermitteln, ob die Parteien damit nur den Streit um die Wirksamkeit der Kündigung beigelegt haben oder ob durch den Vergleich auch ein etwaig bestehender Wiedereinstellungsanspruch vertraglich abbedungen ist. Gem. § 779 Abs. 1 BGB ist ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird, unwirksam, wenn der als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde. Der gemeinsame Irrtum muss dabei das gegenwärtige Bestehen eines bestimmten Sachverhaltes betreffen, nicht dagegen zukünftige Entwicklungen. Ergibt sich die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit oder der Wegfall des Kündigungsgrundes erst nach Abschluss des Vergleichs, kann deshalb ein Wiedereinstellungsanspruch wegen § 779 BGB nicht in Betracht kommen. Ein Wiedereinstellungsanspruch wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage ist demgegenüber zu erwägen, wenn die Parteien übereinstimmend von der Wirksamkeit der Kündigung und der fehlenden Voraussetzung eines Wiedereinstellungsanspruches ausgegangen sind. Gleiches gilt bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags, wenn sich bis zum vereinbarten Vertragsende unvorhergesehen eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer ergibt (BAG v. 8.5.2008 – 6 AZR 517/07, NZA 2008, 1148; Löw/Schulz, BB 2020, 244, 246).
Rz. 1254
Ist der Vergleich nach Ablauf der Kündigungsfrist geschlossen worden, kann ein Wiedereinstellungsanspruch nach der Rspr. des 7. Senats des BAG nur bestehen, wenn der ursprüngliche Kündigungsgrund bis zum Ablauf der Kündigungsfrist weggefallen war (BAG v. 6.8.1997 – 7 AZR 557/96, NZA 1998, 254; 28.6.2000 – 7 AZR 904/98, NZA 2000, 1097). Demzufolge entfällt ein Wiedereinstellungsanspruch, wenn der Vergleich nach Ablauf der Kündigungsfrist geschlossen worden ist und der Wegfall des Kündigungsgrundes ebenfalls erst nach Ablauf der Kündigungsfrist eintritt. Hält man einen Wiedereinstellungsanspruch auch noch nach Ablauf der Kündigungsfrist für möglich, ist die Geschäftsgrundlage des Vergleiches nur unter folgenden Voraussetzungen weggefallen:
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Die Kündigung ist wirksam. |
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Der Kündigungsgrund ist nach Ablauf der Kündigungsfrist weggefallen. |
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Es bestehen keine schutzwürdigen Interessen des Arbeitgebers an der Zurückweisung eines Wiedereinstellungsanspruchs. |
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Der Wegfall des Kündigungsgrundes war den Parteien zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses nicht bekannt und beide Parteien haben es als gemeinsame Grundlage des Vergleiches angesehen, dass keine Wiedereinstellungsverpflichtung des Arbeitgebers besteht. |
Rz. 1255
Bei einem Abfindungsvergleich ist ein Wiedereinstellungsanspruch nach alledem grds. abzulehnen (a.A. Oberhofer, RdA 2006, 95). Er wird regelmäßig bereits an den maßgeblichen tatbestandlichen Voraussetzungen scheitern. Die Wirksamkeit der Kündigung haben die Vergleichsparteien i.d.R. gerade nicht vorausgesetzt, sondern mit dem Vergleich die Ungewissheit über den Ausgang des Rechtsstreites beseitigt. Bei einem Abfindungsvergleich kann grds. nicht die gemeinsame Vorstellung der Parteien als Geschäftsgrundlage vorausgesetzt werden, dass der Kündigungsgrund nicht durch nachträgliche Ereignisse wegfällt. Ein Abfindungsvergleich hat i.d.R. den Sinn, einen endgültigen Schlussstrich zu ziehen, sodass künftige Entwicklungen als beiderseitiges Risiko in Kauf genommen werden, ohne dass deswegen eine Anpassung in Betracht kommt. Das Arbeitsverhältnis soll gerade nicht fortgesetzt werden, für seinen Verzicht erhält der Arbeitnehmer einen sozialen Ausgleich.
Rz. 1256
Hinweis
Bei einem Aufhebungsvertrag oder Vergleich sollte klargestellt werden, ob damit auch ein möglicherweise bereits entstandener oder noch entstehender Wiedereinstellungsanspruch erledigt sein soll.