Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Unwirksamkeit eines Vergleichs (§ 779 Abs. 1 BGB). Wegfall der Geschäftsgrundlage und Vertragsanpassung. Wiedereinstellungsanspruch bei betriebsbedingten Kündigungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Unwirksamkeit eines Vergleichs nach § 779 Abs. 1 BGB bedarf eines beiderseitigen Irrtums über das gegenwärtige Bestehen eines Sachverhalts, nicht aber über die zukünftige Entwicklung.
2. Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage liegt nur vor, wenn eine Störung über die gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien gegeben ist und der von der Störung betroffenen Partei das unveränderte Festhalten an dem Vertrag nicht zugemutet werden kann. Rechtsfolge ist dann grundsätzlich die Anpassung des Vertrages an die geänderten Verhältnisse.
3. Aus den auf Treu und Glauben beruhenden arbeitsvertraglichen Nebenpflichten kann sich ein Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers ergeben, wenn sich zwischen Zugang der betriebsbedingten Kündigung und Ablauf der Kündigungsfrist noch eine unvorhergesehene Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer ergibt.
Normenkette
BGB § 313 Abs. 1, 3, § 779 Abs. 1, § 242; GG Art. 12 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Entscheidung vom 22.06.2017; Aktenzeichen 6 Ca 143/17) |
Tenor
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz -Auswärtige Kammern Bad Kreuznach- vom 22. Juni 2017, Az. 6 Ca 143/17, wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten, nachdem erstinstanzlich ein Prozessvergleich geschlossen wurde, dessen Wirksamkeit sodann im Streit stand, in zweiter Instanz noch über eine Weiterbeschäftigung des Klägers.
Die Beklagte betreibt eine freie Reparaturwerkstatt für Pkw und Lkw. Der 1957 geborene, verheiratete Kläger war bei der Beklagten seit dem 1. August 1974 als kaufmännischer Angestellter beschäftigt. Sein Bruttomonatsgehalt betrug 3.658,00 €.
Die Beklagte kündigte den Kläger mit Schreiben vom 27. März 2015 (Kopie Bl. 4 d. A.) zum 31. Oktober 2015 wegen Schließung des Lagers, die zum 31. Oktober 2015 erfolgen werde. Hiergegen wandte der Kläger sich mit seiner am 2. April 2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage.
Mit Schreiben vom 28. Mai 2015 (Kopie Bl. 28 d. A.) kündigte die Beklagte erneut zum 31. Dezember 2015 wegen beabsichtigter vollständiger Betriebsstilllegung zu diesem Zeitpunkt. Der Kläger erweiterte seine Kündigungsschutzklage im Hinblick hierauf mit am 1. Juni 2015 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz.
Im Kammertermin am 16. Juli 2015 schlossen die Parteien einen Vergleich folgenden Inhalts:
"1. Die Parteien sind darüber einig, dass das klägerische Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung (Schließung des Lagers) vom 27.03.2015 zum 30.11.2015 sein Ende finden wird.
2. Die Parteien sind darüber einig, dass der Kläger ab sofort von der Verpflichtung zur Erbringung seiner Arbeitsleistung bei Fortzahlung der regulären Vergütung bis zum Beendigungszeitpunkt unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche und eventuelle Freizeitausgleichsansprüche freigestellt wird.
3. (...)
4.(...)
5. Damit ist der Rechtsstreit und sind sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung wechselseitig erledigt."
Mit Schreiben vom 11. November 2015 (Kopie Bl. 3 f. d. A. Arbeitsgericht Mainz, Az. 6 Ca 1037/15) und - nach Zurückweisung durch den Klägervertreter gemäß § 174 BGB mit Schreiben vom 20. November 2015 (Kopie Bl. 62 d. A. Arbeitsgericht Mainz, Az. 6 Ca 1037/15) - nochmals mit Schreiben vom 26. November 2015 (Kopie Bl. 5 f. d. A. Arbeitsgericht Mainz, Az. 6 Ca 1037/15) hat der Kläger diesen Vergleich angefochten.
Mit am 14. Dezember 2015 beim Arbeitsgericht eingegangener (Az. 6 Ca 1037/15) und durch Schriftsatz vom 1. März 2016 erweiterter Klage begehrte der Kläger unter anderem die Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis bei der Beklagten über den 30. November 2015 hinaus fortbestehe. Zur Begründung führte der Kläger an, Grundlage des gerichtlichen Vergleichs vom 16. Juli 2015 sei die - wie sich zwischenzeitlich herausgestellt habe - wahrheitswidrige Behauptung der Beklagten, der Betrieb werde ohnehin zum Ende des Jahres 2015 geschlossen. Entgegen dieser Behauptung der Beklagten werde aber das Unternehmen weiter geführt, bei der Beklagten habe auch nie die Absicht einer Unternehmensschließung bestanden. Auch der behauptete Wegfall des Arbeitsplatzes sei zu keiner Zeit gegeben gewesen. Die Beklagte habe wahrheitswidrig behauptet, das Lager zu schließen. Diese Klage erweiterte der Kläger durch Schriftsatz vom 1. März 2016. Das Arbeitsgericht hat den zuletzt nur noch gestellten Feststellungsantrag durch Urteil vom 21. Juli 2016 abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht die Berufung durch rechtskräftiges Urteil vom 19. Januar 2017 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird. Es hat zur Begründung ausgeführt, der Antrag auf Feststellung...