Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit einer Feststellungsklage in einem neuen Verfahren nach Anfechtung eines Prozessvergleichs

 

Leitsatz (redaktionell)

Streiten die Parteien über die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs, so ist dieser Streit jedenfalls dann im Ausgangsverfahren auszutragen, wenn der Vergleich nicht allein aus Gründen unwirksam ist, die erst nach seinem Abschluss entstanden sind. Einer neuen Klage, mit der das ursprüngliche Prozessziel bei unverändert gebliebenem Streitgegenstand (hier: Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung) weiter verfolgt werden soll, steht das Prozesshindernis der anderweitigen Rechtshängigkeit entgegen, weil der unwirksame Prozessvergleich nicht zur Beendigung des Ursprungsverfahrens geführt hat.

 

Normenkette

BGB § 779; ZPO § 261 Abs. 3 Nr. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Entscheidung vom 21.07.2016; Aktenzeichen 6 Ca 1037/15)

 

Tenor

  1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz -Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 21. Juli 2016, Az. 6 Ca 1037/15, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird.
  2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
  3. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs und darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis fortbesteht oder dem Kläger ein Wiedereinstellungsanspruch zusteht.

Die Beklagte betreibt eine freie Reparaturwerkstatt für Pkw und Lkw. Der 1957 geborene, verheiratete Kläger war seit August 1974 bei der Beklagten als kaufmännischer Angestellter zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt 3.658,00 EUR beschäftigt. Mit Schreiben vom 27.03.2015 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.10.2015. Im Kündigungsschreiben führte sie aus, sie sehe sich zu diesem Schritt aufgrund der beabsichtigten Schließung des Lagers zum 31.10.2015 gezwungen. Mit Schreiben vom 28.05.2015 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2015. Die zweite Kündigung stützte sie auf ihren Entschluss, den Betrieb aus wirtschaftlichen Gründen zum 31.12.2015 vollständig stillzulegen. Der Kläger erhob gegen beide Kündigungen im Vorprozess (Az. 6 Ca 272/15) rechtzeitig Kündigungsschutzklage. Im Kammertermin des Arbeitsgerichts schlossen die Parteien am 16.07.2015 im Vorprozess folgenden

"Vergleich

1. Die Parteien sind darüber einig, dass das klägerische Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung (Schließung des Lagers) vom 27.03.2015 zum 30.11.2015 ein Ende finden wird.

2. Die Parteien sind darüber einig, dass der Kläger ab sofort von der Verpflichtung zur Erbringung seiner Arbeitsleistung bei Fortzahlung der regulären Vergütung bis zum Beendigungszeitpunkt unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche und eventuelle Freizeitausgleichsansprüche freigestellt wird.

3. Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger ein wohlwollendes qualifiziertes Zeugnis ... zu erteilen. ...

4. Ferner verpflichtet sich die Beklagte, dem Kläger seine Arbeitspapiere ... zu übermitteln.

5. Damit ist der Rechtsstreit und sind sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung wechselseitig erledigt."

Mit Schreiben vom 11.11.2015 erklärte der Prozessbevollmächtigte des Klägers gegenüber der Beklagten die Anfechtung des abgeschlossenen Vergleichs. Nach Zurückweisung mangels Vorlage einer Vollmachtsurkunde wiederholte er die Anfechtung am 26.11.2015. Er führte zur Begründung aus, der Kläger habe den Prozessvergleich abgeschlossen, weil die Beklagte eine Betriebsschließung zum 31.12.2015 angekündigt habe. Wegen eines Monats habe er nicht weiter streiten wollen. Er habe jetzt in Erfahrung gebracht, dass der Betrieb weitergeführt werde. Der Kläger fühle sich getäuscht, so dass er den Vergleich aus allen in Betracht kommenden Rechtsgründen anfechte und sich höchst hilfsweise auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufe. Er hätte den Vergleich bei wahrer Kenntnis der Sachlage nie abgeschlossen, insbesondere wegen der langjährigen Beschäftigung nicht ohne Abfindungsregelung. Er bestehe daher auf einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, eine einvernehmliche Regelung komme allenfalls in Betracht, wenn ihm eine angemessene Abfindung angeboten werde.

Mit Klageschrift vom 11.12.2015 machte der Kläger vor dem Arbeitsgericht das vorliegende (neue) Verfahren anhängig. Nach Abschluss eines Teilvergleichs streiten die Parteien nicht mehr über die Zahlung des Weihnachtsgeldes für 2015.

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

festzustellen dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beklagten über den 30.11.2015 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat erstinstanzlich vorgetragen, sie habe im Mai 2015 den endgültigen Entschluss gefasst, den Betrieb zum 31.12.2015 zu schließen. Im Verlauf des Vorprozesses und auch bei Abschluss des Prozessvergleichs vom 16.07.2015 habe ihr Stilllegungsentschluss fortbestanden. Am 30.07.2015 habe sie sich mit dem Arbeitnehmer W., dem sie eben...

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