Rz. 612

Der Arbeitgeber ist nur verpflichtet, den Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen, wenn er im Zeitpunkt der Kündigung über freie Arbeitsplätze verfügt. Frei sind Arbeitsplätze, die zum Zeitpunkt der Kündigung unbesetzt sind (BAG v. 29.8.2013 – 2 AZR 721/12, Rn 17; BAG v. 25.10.2012 – 2 AZR 552/11, Rn 29; BAG v.15.12.2011 – 2 AZR 42/10, Rn 24, BAGE 140, 169) oder bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zur Verfügung stehen werden, bspw. indem ein anderer Arbeitnehmer ausscheidet (BAG v. 29.8.2013 – 2 AZR 721/12, Rn 17; BAG v. 25.10.2012 – 2 AZR 552/11, Rn 29; BAG v. 1.3.2007 – 2 AZR 650/05, Rn 24; BAG v. 15.12.1994, AP Nr. 67 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung; BAG v. 25.4.2002, NZA 2003, 605; BAG v. 1.3.2007, AP Nr. 164 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung). Der Arbeitgeber kann sich jedoch nicht auf einen Wegfall freier Arbeitsplätze berufen, wenn er diesen selbst dadurch verursacht hat, indem er treuwidrig eine Stellenbesetzung zeitlich vorgezogen hat (BAG v. 25.4.2002, AP Nr. 121 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung, BAG v. 24.11.2005, AP Nr. 34 zu § 1 KSchG Krankheit; BAG v. 1.2.2007, AP Nr. 6 zu § 162 BGB). (Zur Frage, ob eine (geplante) Beschäftigung von Leiharbeitnehmern die Annahme rechtfertigt, im Betrieb oder Unternehmen des Arbeitgebers gebe es freie Arbeitsplätze, siehe unten Rdn 624).

 

Rz. 613

In die Prüfung, ob eine Weiterbeschäftigung für den von der Kündigung bedrohten Arbeitnehmer in Betracht kommt, sind nur vergleichbare freie Arbeitsplätze einzubeziehen (BAG v. 29.3.1990, AP Nr. 50 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung). Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch, auf einer (freien) "Beförderungsstelle" beschäftigt zu werden (BAG v. 23.11.2004, AP Nr. 70 zu § 1 KSchG Soziale Auswahl). Der Arbeitgeber ist ferner nicht dazu verpflichtet, für den sozial schwächeren Arbeitnehmer, dessen Beschäftigungsmöglichkeiten in einem Betrieb fortgefallen sind, in einem anderen Betrieb seines Unternehmens einen Arbeitsplatz frei zu kündigen, indem er dort einen sozial stärkeren Arbeitnehmer entlässt (BAG v. 15.12.1994 – 2 AZR 320/94, NZA 1995, 413, 415).

 

Rz. 614

Hinsichtlich des freien Arbeitsplatzes muss der Arbeitnehmer geeignet sein (BAG v. 29.8.2013 – 2 AZR 721/12, Rn 18; BAG v. 26.1.1995, AP Nr. 34 zu § 1 KSchG Krankheit). Das setzt voraus, dass der Arbeitnehmer – ggf. unter Berücksichtigung angemessener Einarbeitungs-, Fortbildungs- oder Umschulungszeiten (vgl. hierzu im Detail unten Rdn 577 f.) – den Anforderungen des neuen Arbeitsplatzes entsprechen kann (BAG v. 29.8.2013 – 2 AZR 721/12, Rn 18). Der Arbeitgeber hat das Recht, das Anforderungsprofil für einen bestimmten Arbeitsplatz frei zu bestimmen (BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 295/12, Rn 16) und – falls Sachgründe dies rechtfertigen – auch eine mehrjährige Berufserfahrung zu fordern (BAG v. 10.1.1994, AP Nr. 65 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung; BAG v. 24.6.2004, AP Nr. 76 zu § 1 KSchG). Diese unternehmerische Disposition des Arbeitgebers kann nur auf offenbare Unsachlichkeit überprüft werden (BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 295/12, Rn 17; BAG v. 29.8.2013 – 2 AZR 721/12, Rn 18; BAG v. 24.5.2012 – 2 AZR 124/11, Rn 24; BAG v. 5.6.2008 – 2 AZR 107/07, Rn 17). Das Bestreben des Arbeitgebers, bestimmte Tätigkeiten nur von Arbeitnehmern ausführen zu lassen, die über bestimmte Qualifikationen verfügen, ist grundsätzlich hinzunehmen (BAG v. 20.06. 013 – 2 AZR 295/12, Rn 17). Schafft der Arbeitgeber neu zugeschnittene Arbeitsplätze, ist dies jedenfalls dann zu respektieren, wenn die neuen Qualifikationsanforderungen in einer nachvollziehbaren Weise auf der Neuorganisation der auszuführenden Arbeiten beruhen (BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 295/12, Rn 17; BAG v. 24.5.2012 – 2 AZR 124/11, Rn 24; BAG v. 18.3.2010 – 2 AZR 337/08, Rn 19).

 

Rz. 615

Für diesen Bezug trägt der Arbeitgeber die Darlegungslast (BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 295/12, Rn 18). An diese sind schon im Rahmen von § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG erhöhte Anforderungen insbesondere dann zu stellen, wenn der Arbeitgeber das Anforderungsprofil für Arbeitsplätze ändert, die mit bereits langjährig beschäftigten Arbeitnehmern besetzt sind (BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 295/12, Rn 18). Der Arbeitgeber kann nicht unter Berufung auf eine gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Unternehmerentscheidung den Kündigungsschutz des betreffenden Arbeitnehmers dadurch umgehen, dass er in sachlich nicht gebotener Weise die Anforderungen an die Qualifikation des Arbeitsplatzinhabers verschärft (BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 295/12, Rn 18; BAG v. 24.5.2012 – 2 AZR 124/11, Rn 25; BAG v. 10.7.2008 – 2 AZR 1111/06, Rn 26). Der Arbeitgeber muss deshalb dartun, dass es sich insoweit nicht nur um eine "wünschenswerte Voraussetzung", sondern um ein sachlich gebotenes, arbeitsplatzbezogenes Stellenmerkmal handelt (BAG v. 20.6.2013 – 2 AZR 295/12, Rn 18; BAG v. 24.5.2012 – 2 AZR 124/11, Rn 26; BAG v. 10.7.2008 – 2 AZR 1111/06, Rn 31).

 

Rz. 616

Bei einer außerordentlichen Kündigung aus betrieblichen Gründen bestehen an die Darlegungen des Arbeitgebers noc...

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