Rz. 155

Um die Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer nach der allgemeinen Formel Bemessungsgrundlage x Steuersatz ermitteln zu können, ist es erforderlich, diese Bemessungsgrundlage zu bestimmen. Nachdem unter Anwendung der §§ 38 ErbStG die Frage geklärt wurde, ob und inwieweit überhaupt ein steuerpflichtiger Vorgang vorliegt, ist im Rahmen der Wertermittlung dessen Umfang zu klären. Dabei bestimmt sich nach § 10 ErbStG zunächst, welche Vermögensgegenstände und Schulden bzw. sonstige Verbindlichkeiten im Rahmen der Steuerberechnung anzusetzen sind. § 12 regelt sodann deren Bewertung (im engeren Sinne)[192] auf den Stichtag gem. § 11 ErbStG. Das Ziel der Bewertung besteht darin, den Wert sämtlicher relevanten Aktiva und Passiva in einem Geldbetrag auszudrücken, um diesen der weiteren Steuerberechnung zugrunde zu legen.

 

Rz. 156

Als allgemeinen Bewertungsmaßstab hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschl. v. 7.11.2006[193] den Verkehrswert bzw. einen dem Verkehrswert angenäherten Wert vorgegeben. Der Gesetzgeber hat sich diesen Begriff nicht zu Eigen gemacht, sondern – wie auch nach früherem Recht – am gemeinen Wert als oberstem Wertmaßstab festgehalten.

 

Rz. 157

Der gemeine Wert zum Bewertungsstichtag (§ 11 ErbStG) kann aber nicht allgemein mit dem Verkehrswert im Sinne der zivilrechtlichen Rechtsprechung gleichgesetzt werden. Denn teilweise steht das dem Erbschaftsteuer- und Bewertungsrecht zugrunde liegende statische Stichtagsprinzip im Widerspruch zu den die zivilrechtliche Betrachtung prägenden betriebswirtschaftlichen Grundsätzen. Dies gilt insbesondere im Zusammenhang mit der Bewertung von Unternehmen, die auf zukünftigen Ertragserwartungen aufbaut. Zum anderen sieht das Gesetz selbst aus Vereinfachungs- und Praktikabilitätserwägungen normative Verallgemeinerungen vor, die von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls abstrahierende Vorgaben enthalten und so zu Abweichungen vom tatsächlichen Verkehrswert führen. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die Vorschriften zur Unternehmensbewertung nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren (§§ 199203 BewG) sowie zur Bewertung bebauter Grundstücke im Sachwertverfahren (§ 182 Abs. 4 BewG) oder im Ertragswertverfahren (§ 185 BewG)[194] zu erwähnen.

 

Rz. 158

Mithin ist nach wie vor die der Wertermittlung vorgelagerte Frage, ob überhaupt eine Bereicherung im erbschaft- bzw. schenkungsteuerrechtlichen Sinne vorliegt, anhand der nach bürgerlich-rechtlichen bzw. betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ermittelten Verkehrswerte zu klären.

[192] Vgl. auch R E 12.1 S. 1 ErbStR 2019.
[194] Hier insbesondere die Vorgabe typisierter Bewirtschaftungskosten (§ 187 BewG) und typisierter Liegenschaftszinssätze (§ 188 BewG).

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