Rz. 84
Jedes Zeugnis – ob einfaches oder qualifiziertes – muss sich über die Dauer des Arbeitsverhältnisses verhalten. Der Arbeitnehmer kann nicht verlangen, dass einzelne vergangene Zeiträume nicht im Zeugnis erscheinen, weil er z.B. zunächst eine andere Tätigkeit ausgeübt hat oder freier Mitarbeiter war (LAG Frankfurt am Main v. 14.9.1984, NZA 1985, 27). Die Dauer der Beschäftigung ist in verkehrsüblicher Form mit Ein- und Austrittsdaten ("von … bis") und nicht nach Zeiträumen ("für 18 Monate") anzugeben. Für diese Angaben ist der rechtliche Bestand des Arbeitsverhältnisses, nicht die im Einzelfall kürzere Dauer der tatsächlichen Beschäftigung maßgeblich (LAG Hamm v. 9.12.1980, ARST 1981, 112). Es ist also nach Daten die Zeit vom vereinbarten Beginn der Arbeitsaufnahme bis zum Ende der Kündigungsfrist, der Befristung oder der vereinbarten Auflösung des Arbeitsverhältnisses anzugeben. Daraus folgt, dass im Fall der Umwandlung einer fristlosen Entlassung in eine fristgemäße Beendigung des Arbeitsverhältnisses das zuvor erteilte Zeugnis entsprechend zu berichtigen ist.
a) Vordienst- oder Ausbildungszeiten
Rz. 85
War ein Arbeitnehmer mehrfach bei einem Arbeitgeber beschäftigt, ist er bspw. nach mehrjähriger Beschäftigung aus betriebsbedingten Gründen zunächst entlassen und dann nach Besserung der Auftragslage unter Anrechnung der zurückgelegten Vordienstzeiten wieder neu eingestellt worden, dann handelt es sich um zwei Arbeitsverhältnisse. Auch wenn der Arbeitnehmer für seine vorangegangene Beschäftigung bereits ein Zeugnis erhalten hat, gebietet es die Fürsorgepflicht, dass der Arbeitgeber bei der Beendigung des Folgearbeitsverhältnisses in dem Zeugnis die Vordienstzeiten erwähnt.
Rz. 86
Gleiches gilt, wenn ein Arbeitnehmer bspw. nach der Ausbildung zunächst einige Jahre praktische Erfahrungen gesammelt und dann ausgeschieden ist, um die Meisterschule zu besuchen. Wird der Arbeitnehmer nach Ablegen der Meisterprüfung wieder eingestellt und scheidet er nach einiger Zeit aus, dann ist auch hier der gesamte Werdegang im Zeugnis zu erwähnen, selbst wenn er vor Besuch der Meisterschule für die Vordienstzeit bereits ein Zeugnis erhalten hat. Wird das Arbeitsverhältnis zum Besuch der Meisterschule lediglich unterbrochen, dann ist dem Arbeitnehmer für die vorausgegangene Beschäftigungszeit ein Zwischenzeugnis unter Angabe des Zeugnisvergabegrundes zu erteilen, welches dann später in das Schlusszeugnis einfließt.
Rz. 87
Bei Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses hat der Ausbildende dem Auszubildenden auch ohne Verlangen ein Zeugnis auszustellen (§ 16 Abs. 1 S. 1 BBiG), welches als Ausbildungszeugnis zu bezeichnen ist. Hat ein übernommener Arbeitnehmer nach seiner Berufsausbildung bzw. Praktikantenzeit kein Ausbildungs- bzw. Praktikantenzeugnis erhalten, dann kann sich bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Zeugnis nur eingeschränkt über die gesamte Beschäftigungszeit, also über die Ausbildungs- bzw. Praktikantenzeit und die Beschäftigungszeit als Arbeiter oder Angestellter, verhalten (LAG Hamm v. 27.2.1997, NZA-RR 1998, 151). Dies erklärt sich daraus, dass beide Zeugnisarten unterschiedliche Beurteilungsgegenstände und -inhalte haben. Hinsichtlich der Dauer ist zu erwähnen, von wann bis wann die Ausbildungs- oder Praktikantenzeit und von wann bis wann das anschließende Arbeitsverhältnis dauerte.
b) Unterbrechung der Beschäftigung
Rz. 88
Kürzere Unterbrechungen der Tätigkeit (Urlaub, Krankheit, Kur, Freistellung aus persönlichen Gründen, Schöffen- oder Beisitzertätigkeit, Wehrübung, Arbeitskampf) sind nicht in das Zeugnis aufzunehmen (LAG Chemnitz v. 30.1.1996, AiB 1996, 505 m. Anm. Weuster). Durch längere gesetzliche oder vereinbarte Freistellungen von der Arbeitspflicht (Krankheit, unbezahlter Urlaub, Elternzeit, Pflegezeit, Wehr- oder Zivildienst) wird das Beschäftigungsverhältnis zwar nicht rechtlich unterbrochen, bleiben aber erhebliche Unterbrechungen der Berufsausübung in einem Beschäftigungsverhältnis unerwähnt, entsteht der unzutreffende Eindruck einer kontinuierlichen Tätigkeit und entsprechender Berufserfahrung.
aa) Erwähnung längerer Ausfallzeiten
Rz. 89
Wegen der Wahrheitspflicht hat der Arbeitgeber Unterbrechungen, die einen erheblichen Teil des Arbeitsverhältnisses ausmachen, im Zeugnis zu erwähnen. Das berechtigte Informationsinteresse des potenziellen neuen Arbeitgebers bezieht sich dabei nicht auf gewöhnliche Ausfallzeiten kürzerer Dauer wie z.B. Erkrankungen (bis zur Dauer von 12 Wochen), Urlaub, Wehrübungen, Pflegezeiten und Beschäftigungsverbote nach dem MuSchG. Anders kann dies bei längeren Unterbrechungen von ein bis zwei Jahren sein, die bspw. durch Eltern- oder Pflegezeit bzw. durch Wehr- oder Bundesfreiwilligendienst verursacht sein können. Der 9. Senat des BAG geht auch hier von einer grundsätzlichen Unstatthaftigkeit der Erwähnung dieser Ausfallzeiten im Zeugnis aus. Für seine Begründung nimmt er die "zweiseitige Zielsetzung" eines Zeugnisses zum Ausgangspunkt, inhaltlich der Wahrheit zu entsprechen und zugleich das weitere Fortkommen des Arbeitnehmers nicht ungerechtfertigt zu erschweren. M...