Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Verfall des Zeugnisberichtigungsanspruchs durch Ausgleichsquittung - Voraussetzungen für Verwirkung des Zeugnisberichtigungsanspruchs
Leitsatz (redaktionell)
1. Entspricht das einem Angestellten nach § 630 BGB erteilte Zwischenzeugnis nicht der vorgeschriebenen Form, ist es inhaltlich unrichtig oder hat der Arbeitgeber bei der Bewertung von Führung und Leistung seinen Beurteilungsspielraum überschritten, kann der Angestellte verlangen, daß das Zwischenzeugnis nachträglich abgeändert wird. In diesen Fällen kann nicht mehr von fehlender Erfüllung, sondern nur von Schlechterfüllung gesprochen werden. Zur Beseitigung von Mängeln des Zeugnisses steht der Erfüllungsanspruch nicht (mehr) zur Verfügung. Anspruchsgrundlage für die Zeugnisberichtigung ist nicht § 630 BGB, sondern die allgemeine Fürsorgepflicht. Dieser Zeugnisberichtungsanspruch wird von einer Ausgleichsklausel eines gerichtlichen Vergleichs zur Beilegung eines Kündigungsschutzprozesses nicht erfaßt.
2. Der Zeugnisberichtigungsanspruch ist erst dann als verwirkt anzusehen, wenn der Arbeitnehmer nicht in angemessener Zeit ein Zeugnis oder dessen Berichtigung verlangt und der Arbeitgeber wegen Zeitablaufs sich nicht mehr mit hinreichender Deutlichkeit an den Arbeitnehmer erinnert bzw. Personalunterlagen nicht mehr vorhanden sind. Begehrt der Arbeitnehmer mit seiner Klage nur Berichtigung seines qualifizierten Zeugnisses in Punkten, die keiner Wertung durch einen Vorgesetzten bedürfen, sondern vom Arbeitgeber ohne weiteres allein anhand der von ihr zu führenden Personal- und Lohnabrechnungsunterlagen beantwortet werden können, scheidet eine Verwirkung vor Ablauf der Aufbewahrungsfristen für die Unterlagen aus.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Berichtigung eines Arbeitszeugnisses und über die Erstattung von Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit.
Die Beklagte vertreibt Lager- und Betriebseinrichtungen für die Industrie. Sie beschäftigt etwa 30 Mitarbeiter.
Der Kläger stand bei ihr seit dem 01.03.1991 als Leiter des Vertriebs mit einer monatlichen Vergütung von 6.500,- DM in einem Arbeitsverhältnis.
Die Beklagte kündigte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 19.08.1991 fristlos mit der Begründung, der Kläger habe sie über die bestehende Verschuldung arglistig getäuscht. Gegen diese Kündigung hat der Kläger Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Bielefeld erhoben.
Seit dem 20.08.1991 erhielt der Kläger Leistungen des Arbeitsamtes Bielefeld; dies wurde der Beklagte mit Überleitungsanzeige vom 26.08.1991 angezeigt. Versehentlich überwies die Beklagte während des Kündigungsschutzverfahrens an den Kläger das vereinbarte Gehalt für den Monat September 1991.
Mit Schreiben seiner Prozeßbevollmächtigten vom 16.10.1991 verlangte der Kläger unter Fristsetzung zum 30.10.1991 die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses. Mit Telebrief vom 30.10.1991 leitete die Beklagte den Prozeßbevollmächtigten des Klägers einen Zeugnisentwurf mit folgendem Wortlaut zu:
Herr P. K., wohnhaft in ¼ B., B.-Mw.-Str. 6k, war in der Zeit vom 01.03.1991 bis 19.08.1991 in unserem Unternehmen tätig.
Herr K. wurde als Leiter des Vertriebs eingestellt mit der Vereinbarung einer 6-monatigen Probezeit.
Zu seinen Aufgaben gehörte die Betreuung von P.-Kunden, Akquisition von Neukunden, Angebotsbearbeitung bis zur Auftragsabwicklung, Montageüberwachung.
Die ihm übertragenen Aufgaben hat Herr K. zu unserer Zufriedenheit ausgeführt.
Sein Verhalten Kunden und Kollegen gegenüber war einwandfrei.
Das Arbeitsverhältnis konnte, aus Gründen die im privaten Bereich von Herrn K. liegen, nicht fortgesetzt werden.
Wir wünschen Herrn K. für die Zukunft alles Gute.
Weiter heißt es in dem Telebrief vom 30.10.1991:
Sollten Änderungen oder Ergänzungen gewünscht werden, bitte ich Sie um einen Hinweis. Diese werden dann von meiner Mandantin umgehend geprüft. Andernfalls wird meine Mandantin das Zeugnis auf der Grundlage des Entwurfs abzeichnen.
Mit Schreiben vom 02.12.1991 wurde der Kläger zu Händen seiner Prozeßbevollmächtigten erneut per Telefax angeschrieben; in dem Telebrief wird ausgeführt:
In obiger Angelegenheit haben wir auf unser Telefax vom 30.10.1991 keine Erwiderung erhalten. Wir haben daher unsere Mandantin mit gleicher Post gebeten, den Zeugnisentwurf zu vervollständigen und an Sie bzw. Ihren Auftraggeber zu senden. Wir sehen die Angelegenheit hiermit als erledigt an.
Am 09.12.1991 fertigte die Beklagte das Zeugnis mit Datum vom 19 08.1991 entsprechend dem Entwurf und leitete es dem Kläger zu.
Am 26.02.1992 (4 Ca 1604/91) haben die Parteien im Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht Bielefeld folgenden Vergleich geschlossen:
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1. |
Die Parteien sind sich darüber einig, daß das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher Kündigung am 30.09.1991 beendet worden ist. |
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2. |
Die Parteien sind sich darüber einig, daß aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung keinerlei gegenseitige Ansprüche mehr bestehen. |
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Mit Schreiben vo...