Inga Leopold, Dr. Stephan Pauly
Rz. 54
An Arbeitnehmer gezahlte Karenzentschädigungen sind Einkünfte aus nicht selbstständiger Tätigkeit, die wie Arbeitsentgelt zu versteuern sind. Sie sind lohnsteuerpflichtiger Arbeitslohn.
Dies gilt auch dann, wenn die Karenzentschädigung in einem Einmalbetrag geleistet wird. Vereinbaren die Parteien bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Umwandlung eines wirksam vereinbarten nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes in ein "entschädigungsloses" und erhöhen sie die Abfindung wegen Verlustes des Arbeitsplatzes entsprechend der ansonsten zu zahlenden Karenzentschädigung, wird die Finanzverwaltung im Regelfall die Abfindung als Karenzentschädigung behandeln. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Abfindungsbetrag unverhältnismäßig hoch erscheint.
Rz. 55
Darauf, ob die Verkürzung des Wettbewerbsverbotes und der Verzicht auf eine Entschädigung im Aufhebungsvertrag mit vereinbart oder in einer gesonderten Urkunde vereinbart wird, kommt es nicht an. Bei Entschädigungen für die Nichtausübung einer Tätigkeit gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG ist es nach Auffassung des BFH nicht erforderlich, dass die Karenzentschädigung auf einer vom Anstellungsvertrag unabhängigen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruht. Daraus folgt, dass eine bereits im Anstellungsvertrag vereinbarte Karenzentschädigung unter §§ 24, 34 EStG fallen kann. Dementsprechend hat der BFH entschieden, dass das Entgelt für ein umfassendes Wettbewerbsverbot, das im Zusammenhang mit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses vereinbart worden ist, eine Entschädigung nach § 24 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 22 Nr. 3 EStG darstellt. Dies gilt auch dann, wenn ungewiss ist, zu welcher Einkunftsart die Tätigkeit geführt hätte, auf deren Ausübung verzichtet worden ist. § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG erfasst Karenzzahlungen, die "für" die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit – mithin als Gegenleistung für den Verzicht auf eine mögliche Einkunftserzielung – erbracht werden. Das ist bei Zahlungen, die als Entgelt für die Einhaltung eines Wettbewerbsverbotes geleistet werden, stets der Fall.
Rz. 56
§ 24 Nr. 1 Buchst. b EStG findet auf Karenzentschädigungen bei bereits im Arbeitsvertrag vereinbarten nachvertraglichen Wettbewerbsverboten Anwendung.
Rz. 57
Nach der früheren Rechtsprechung des BFH setzte § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG voraus, dass es sich bei der Entschädigung nicht um eine vertragliche Hauptleistung handelt. Dies hatte zur Folge, dass Karenzentschädigungen nur dann unter §§ 24 Nr. 1 Buchst. b, 34 EStG fielen, wenn das Wettbewerbsverbot bereits im Anstellungsvertrag vereinbart war. Bei dieser Gestaltung stellte das Wettbewerbsverbot eine Nebenabrede zum Arbeitsvertrag dar, so dass die Karenzentschädigung lediglich eine vertragliche Nebenleistung war. Wurde dagegen das Wettbewerbsverbot erst beim Ausscheiden vereinbart, handelte es sich um ein vom beendeten Arbeitsverhältnis losgelöstes Vertragsverhältnis, in dem die Wettbewerbsunterlassungspflicht und die Karenzentschädigung gegenseitige Hauptpflichten darstellten. In diesem Fall war § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG auf die Karenzentschädigung nicht anwendbar. Dieser Auffassung ist zuerst das FG Baden-Württemberg entgegengetreten. Nach Auffassung des FG Baden-Württemberg sind die §§ 24, 34 EStG auch bei Wettbewerbsverboten anzuwenden, die erst in einem Aufhebungsvertrag vereinbart werden. Der BFH ist dieser Auffassung gefolgt und wendet § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG auch dann an, wenn die Zahlungen für die Nichtausübung einer Tätigkeit (Karenzentschädigung) als vertragliche Hauptleistungspflicht vereinbart wird.
Rz. 58
Eine Zahlung für ein Wettbewerbsverbot kann eine nach § 34 Abs. 1 EStG ermäßigt zu besteuernde Entschädigung i.S.v. § 24 Nr. 1 Buchst b EStG sein, wenn sich ein Arbeitnehmer im Arbeitsvertrag von vornherein verpflichtet hat, für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine bestimmte Tätigkeit nicht auszuüben und hierfür eine Abfindung erhält. Eine Entschädigung ist von besonderen Ausnahmefällen abgesehen nur dann ermäßigt nach § 34 Abs. 1 EStG zu besteuern, wenn sie zusammengeballt in einem Einmalbetrag zufließt. Eine Entschädigung, deren Zufluss aufgrund vertraglicher Vereinbarung von Haus aus auf monatliche Zahlungen über mehrere Jahre hinweg angelegt ist, fließt nicht zusammengeballt zu und kann auch nicht als ein Ausnahmefall vom Grundsatz der Zusammenballung ermäßigt nach § 34 Abs. 1 EStG besteuert werden.
Rz. 59
Voraussetzungen für die Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes nach § 34 Abs. 1 EStG können auch bei Karenzentschädigungen erfüllt sein. Die Anwendung des § 34 Abs. 1 und 2 EStG verlangt auch in den Fällen des § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG, dass die Entschädigung für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit, die sich bei normalem Ablauf über mehrere Jahre erstreckt hätte, vollständig in einem Betrag gezahlt wird und dadurch ein Progressionsnachteil entsteht.
Rz. 60
§§ 24, 34 EStG sind anwendbar, wenn die Karenzentschädigung ...