Prof. Dr. Hans Josef Vogel
Rz. 63
Der Reisevertrag entfällt ex tunc, wenn der Reisende den Rücktritt erklärt. Der Reiseveranstalter verliert den Anspruch auf Zahlung des Reisepreises, allerdings erhält er einen Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen. Diese Entschädigung kann entweder konkret berechnet werden oder pauschaliert (vgl. § 651h Abs. 2 S. 1 und 2 BGB).
Rz. 64
Die ganz überwiegende Anzahl der Reiseveranstalter wählt die pauschalierte Berechnung der sog. Stornoentschädigung. In den AGB wird also typischerweise eine Entschädigungspauschale oder Stornoentgelte pauschal festgelegt. Für die Berechnung dieser Pauschale zählt § 651h Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 3 BGB Faktoren auf, die zu unterschiedlichen Stornoentschädigungen führen. Faktoren für die Berechnung sind:
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der Zeitpunkt der Rücktrittserklärung, d.h. der Zeitraum zwischen Rücktrittserklärung und Reisebeginn; |
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die zu erwartende Ersparnis von Aufwendungen; |
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der zu erwartende Umsatz durch eine anderweitige Verwendung der Reiseleistung. |
Rz. 65
Die typische Pauschalierung nennt also einen Prozentsatz vom Reisepreis, der abhängig vom Zeitpunkt der Rücktrittserklärung bis zum Nichtantritt benannt werden kann. Typischerweise beginnen Pauschalen mit etwa 20 % des Reisepreises bei einem Rücktritt bis zu 30 Tage vor Abflug und führen bis zu 75 % bei Nichtantritt. Soweit der Veranstalter darlegen und beweisen kann, dass ihm entsprechend höhere Kosten entstanden sind, können solche höheren Pauschalen in den AGB benannt werden. Bei der Bewertung der vom Reiseveranstalter geltend gemachten pauschalierten Entschädigung muss konkret überprüft werden, wie die Klausel ausgestaltet ist, wenn nicht in jedem Fall zu hohe Pauschalen verlangt werden. Eine Entschädigung in Höhe des vollen Reisepreises ist in jedem Fall unzulässig. In den AGB muss gem. § 309 Nr. 5 Buchst. b BGB der Reisende auch darauf hingewiesen werden, dass er das Recht hat, nachzuweisen, dass dem Reiseveranstalter kein oder ein wesentlich geringerer Schaden entstanden ist.
Rz. 66
Typischerweise wird der Reisende, sollte er auf Zahlung der Stornokosten in Anspruch genommen werden, Nachweise durch den Reiseveranstalter zur Berechnung verlangen und gleichzeitig Belege dafür erwarten, dass der vom Reiseveranstalter geltend gemachte Schaden tatsächlich so entstanden ist. Allerdings kann der Reiseveranstalter, sollte die pauschalierte Erhöhung aufgrund AGB-rechtlicher Zweifel nicht zum Tragen kommen, auch noch im Rahmen eines Prozesses auf eine konkrete Berechnung der Stornokosten umwechseln. Bei dieser konkreten Berechnung muss der Reiseveranstalter im Einzelnen darlegen, welche Vorleistungen er an Leistungserbringer erbracht hat und welche Rückzahlungen er erhielt, sowie eine anderweitige Verwendung der Reiseleistung. Tatsächlich kann es dazu führen, dass der Reiseveranstalter aufgrund der konkreten Berechnung einen höheren Ersatzanspruch hat als nach der pauschalierten Berechnung. Der Wechsel zwischen beiden Anspruchsarten ist möglich. Gerade bei sog. X-Veranstaltern, die Pauschalreisen im Wege des Dynamic Packaging anbieten, besteht die Gefahr, dass die tatsächlichen Kosten des Rücktritts höher liegen als die Pauschalen. Dies hat seine Ursache wesentlich in den typischerweise verwandten Flugtarifen, die durch den Veranstalter in voller Höhe vorauszuzahlen sind und eine Rückerstattung nicht vorsehen.
Der Rat, die pauschalierte Entschädigung anzugreifen (wenn es nicht um deutlich überhöhte Pauschalen geht), kann sich also potenziell als nachteilig erweisen. Hier muss deshalb die Erwartung des Mandanten im Blick behalten werden.