Rz. 66
Befindet sich der Beschuldigte nicht auf freiem Fuß, so entstehen sämtliche Gebühren (mit Ausnahme der zusätzlichen Gebühren) "mit Zuschlag" (Vorbem. 4 Abs. 4 VV). Dem Anwalt steht also in diesen Fällen von vorneherein ein höherer Gebührenrahmen zur Verfügung, unabhängig davon, ob tatsächlich ein erhöhter Aufwand dadurch entstanden ist, dass sich der Mandant nicht auf freiem Fuß befindet.
Rz. 67
Unerheblich ist, ob sich der Beschuldigte in der betreffenden Sache oder in einer anderen Sache nicht auf freiem Fuß befindet.
Rz. 68
Aus welchem Grund sich der Mandant nicht auf freiem Fuß befindet, ist für die Anwendung der Vorbem. 4 Abs. 4 VV ebenfalls unerheblich. Hauptanwendungsfall ist sicherlich die Untersuchungshaft; die Vorschrift der Vorbem. 4 Abs. 4 VV gilt jedoch auch bei Unterbringungen nach dem Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKG) oder bei einer Sicherungsverwahrung oder einer Zwangshaft (§§ 888, 901 ZPO). So greift der Haftzuschlag bei
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Unterbringung im offenen Vollzug, |
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Unterbringung in einer Einrichtung der Jugendhilfe zur Vermeidung der Untersuchungshaft nach § 71 Abs. 3 JGG, |
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vorläufiger Festnahme, |
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freiwilliger Unterbringung in einer stationären Therapieeinrichtung, |
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Unterbringung im Rahmen von Lockerungen in einem Übergangswohnheim, |
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vorläufige Festnahme nach § 127 Abs. 1 StPO bzw. § 127b Abs. 1 StPO, |
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Betreutes Wohnen, |
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Betreute Wohnen im psychiatrischen Krankenhaus. |
Rz. 69
Strittig ist, ob ein Haftzuschlag anfällt, wenn sich der Mandant in offenem Vollzug befindet. Das wird teilweise abgelehnt. Zutreffenderweise kommt es für die Entstehung des Zuschlags jedoch nicht darauf an, ob im Einzelfall aufgrund der Inhaftierung Umstände gegeben sind, die konkrete Erschwernisse der Tätigkeit des Rechtsanwalts zur Folge haben. Daher ist auch im offenen Vollzug Vorbem. 4 Abs. 4 VV anzuwenden.
Rz. 70
Dagegen kommt ein Haftzuschlag nicht in Betracht, wenn sich der Beschuldigte freiwillig in einer stationären Therapieeinrichtung befindet.
Rz. 71
Dem Verteidiger steht ein Haftzuschlag auch dann nicht zu, wenn der in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebrachte Mandant bereits dauerhaft in einem externen Pflegeheim wohnt (betreutes Wohnen), sich also gar nicht mehr im Krankenhaus der Maßregelvollzugs aufhält.
Rz. 72
Die Frage, ob eine Gebühr mit Zuschlag entsteht oder nicht, ist für jede Gebühr gesondert zu prüfen. Soweit sich der Mandant während des gesamten Verfahrensabschnitts nicht auf freiem Fuß befand, erhöhen sich sämtliche Gebühren (mit Ausnahme der zusätzlichen Gebühren). Im Übrigen ist zu differenzieren. Maßgebend ist, ob sich während des Abgeltungsbereichs der jeweiligen Gebühr (§ 15 Abs. 1 RVG) der Mandant – und wenn auch nur für kurze Zeit – nicht auf freiem Fuß befand. War der Mandant nur vorübergehend in Haft, kann dies gegebenenfalls bei der Bestimmung der Gebühr nach § 14 Abs. 1 RVG ermäßigend berücksichtigt werden.
Beispiel 30: Der Beschuldigte befindet sich während des gesamten Verfahrens nicht auf freiem Fuß
Der Anwalt wird von dem inhaftierten Beschuldigten beauftragt, ihn im vorbereitenden Verfahren zu verteidigen. Es kommt zu zwei Haftprüfungsterminen.
Sämtliche Gebühren berechnen sich mit Zuschlag, da der Mandant während des gesamten Verfahrens in Haft war. Der Anwalt erhält jeweils mit Zuschlag die Grundgebühr (Nrn. 4100, 4101 VV), die Verfahrensgebühr (Nrn. 4104, 4105 VV) und die Terminsgebühr nach Nrn. 4102 Nr. 3, 4103 VV.
1. |
Grundgebühr, Nrn. 4100, 4101 VV |
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269,50 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, Nrn. 4104, 4105 VV |
|
221,50 EUR |
3. |
Terminsgebühr, Nrn. 4102 Nr. 3, 4103 VV |
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228,50 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
739,50 EUR |
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5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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140,51 EUR |
Gesamt |
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880,01 EUR |
Rz. 73
Beispiel 31: Der Beschuldigte wird erst während des Verfahrens in Haft genommen (I)
Der Anwalt wird von dem Beschuldigten mit der Verteidigung im vorbereitenden Verfahren beauftragt und nimmt an einem richterlichen Vernehmungstermin teil. Später wird der Mandant dann in Haft genommen. Es kommt zu einem Haftprüfungstermin.
Während der Einarbeitung befand sich der Beschuldigte auf freiem Fuß, sodass sich die Grundgebühr ohne Zuschlag berechnet. Die Verfahrensgebühr ist dagegen mit Zuschlag zu berechnen, da der Mandant während des Verfahrens noch in Haft genommen worden ist. Für die beiden Termine außerhalb der Hauptverhandlung entsteht nur eine Gebühr. Diese berechnet sich mit Zuschlag, da sich der Mandant an einem der Termine nicht auf freiem Fuß befand.
1. |
Grundgebühr, Nr. 4100 VV |
|
220,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, Nrn. 4104, 4105 VV |
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221,50 EUR |
3. |
Terminsgebühr, Nrn. 4102, 4103 VV |
|
228,50 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
690,00 EUR |
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5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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131,10 EUR |
Gesamt |
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821,10 EUR |
Rz. 74
Beispiel 32: Der Beschuldigte wird erst während des Verfahrens in Haft genommen (II)